Hier kommt Hoeneß!
Trainers zur Gegenoffensive über. Er wollte nicht, dass das Bild des FC Bayern in irgendeiner Weise Schaden nahm, und musste zudem Schutzschild für seinen Freund Jupp spielen. »Ich hatte bis dahin nie etwas mit Herrn Hoeneß zu tun gehabt«, sagte Daum später einmal, »deshalb war ich überrascht, wie sehr er Heynckes verteidigte, sich zu seinem Anwalt machte und sich dabei auch nicht scheute, mit seinen Argumenten ständig unter die Gürtellinie zu gehen.«
Am 20. Mai 1989 kommt es im »Aktuellen Sportstudio« zum Gipfeltreffen zwischen Daum und Heynckes, an ihrer Seite Lattek und Hoeneß, moderiert wird von Bernd Heller. Hoeneß hat sich vorbereitet, sitzt mit Unterlagen in der Hand im Studio. Er trägt nun als Anwalt seines stummen Mandanten einem Millionenpublikum die Vorwürfe Daums noch einmal vor.
Hoeneß spricht Daum direkt an: »Du hast über Jupp Heynckes gesagt, der könnte auch Werbung für Schlaftabletten machen.«
Daum: »Richtig.«
Hoeneß: »Du hast über ihn gesagt, wenn einer so dünnhäutig ist, hat er hier nichts zu suchen. Die Wetterkarte ist interessanter als ein Gespräch mit Jupp Heynckes.«
Daum: »Richtig, dazu stehe ich auch.«
Hoeneß: »Alles okay. Und jetzt kommt der entscheidende Punkt.« (Er liest ein weiteres, direktes Zitat vor). »›Nach dem Sieg über Inter Mailand ging es ihm mal für ein paar Stunden besser. Da war eine Hirnwindung mehr durchblutet. Im Grunde genommen ist er völlig kaputt.‹ Wenn man so etwas sagt, mein lieber Freund, wenn du Charakter hättest, dann hättest du dich mal hingestellt und hättest dich dafür entschuldigt.«
Daum: »Das ist jetzt von dir im Prinzip nur eine Masche, um ein bisschen zu versuchen, mich von meinem Weg abzubringen. Aber das kann ich dir auch garantieren, das schaffst auch du nicht.«
Hoeneß: »Ich werde das auch gar nicht versuchen, weil: Am nächsten Donnerstag ist dein Weg zu Ende.«
Die Zuschauer lachen und grölen, sie stimmen spontan den Fansong »Zieht den Bayern die Lederhosen aus!« an und klatschen im Takt mit. Hoeneß muss grinsen.
Hoeneß: »Du überschätzt dich hier maßlos. Du musst einmal schauen: Das da oben über dir ist ein Ball, kein Heiligenschein.«
Daum: »Um das Maß an Überschätzung zu erreichen wie du, muss ich 100 Jahre alt werden.«
An jenem nächsten Donnerstag gewinnen die Bayern mit 3 : 1 in Köln und werden wenig später Meister. Eine Hoeneß-Meisterschaft. Mit Christoph Daum sollte er erst wieder ab Mitte der 90er-Jahre in Kontakt kommen. Erst waren es nur Sprüche zur sportlichen Rivalität, als Bayer Leverkusen um die Jahrtausendwende zu einem respektablen Rivalen gereift war. Hoeneß prophezeite: »Der kann noch 100 Jahre trainieren, der wird uns nie überholen.«
Nie wurde Leverkusen Meister, auch nicht am letzten Spieltag der Saison 1999/2000, als Unterhaching zum Ort der Tragödie für Daum wurde. Ein Remis hätte gereicht, Leverkusen, der ewige Zweite, verlor – den Titel holte Bayern, eine von Daum verspielte Meisterschaft.
Damit das nicht mehr vorkommen konnte, strebte der Coach nach ganz oben. Doch Daums Traum, ab 1. Juli 2001 wie bereits mit dem DFB vereinbart Bundestrainer zu werden, endete im dichten Schneetreiben, das über München hereinbrach. An einem Sonntag, dem 1. Oktober 2000, nahm einer der größten Skandale im deutschen Fußball seinen Lauf.
Hoeneß ruft einen Reporter der »Abendzeitung« zurück, der ihn per Fax darum gebeten hat. Er nimmt sich die Zeit, denn er steht ohnehin im Stau und muss eine Umleitung nehmen auf dem Weg zur Golfanlage Riedhof, etwa 20 Kilometer von seinem Haus in Ottobrunn entfernt. Dort will er seine Golfsachen für einen Kurztrip mit seiner Frau nach Marbella abholen, nun steckt er fest. Also ruft er in München an. 089-23 77- und die Durchwahl für den Journalisten, den er seit Jahren kennt. Das Gespräch dreht sich um dies und das, um die 0:1-Niederlage der Bayern gegen Rostock, dann kommen sie auf Daum zu sprechen. In den Wochen und Monaten zuvor hatte es in der Szene Gerüchte und Andeutungen gegeben über Kontakte Daums ins Milieu. Hoeneß konkretisiert diese – nachzulesen in einem Artikel mit der Überschrift »Hoeneß: Daum nicht mehr tragbar« in der »AZ« vom 2./3. Oktober 2000. »Es geht darum, was sich in den letzten sechs Monaten ereignet hat um Herrn Daum, um sein privates Umfeld, seine Werbeverträge, um Erpressungsversuche und Prostituierte, wovon er ja selbst gesprochen hat, um all die Scheiße geht es, um
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