Hier kommt Hoeneß!
des Trainers ein gehöriges Stück zu untergraben, auch wenn es auf den ersten Blick gut gemeint war. »Ich habe dem Jürgen gesagt, dass Rom auch nicht an einem Tag erbaut wurde und dass er auch mal sonntags, wenn wir kein Spiel haben, ausschlafen solle und nicht wie jeden Tag um acht Uhr an der Säbener Straße erscheinen müsse.« Hoeneß griff allmählich ein, eine Art Erste-Hilfe-Maßnahme. Doch kein Trainer der Welt freut sich über solche gut gemeinten Notfallmaßnahmen. Im »Spiegel«-Gespräch sagte Hoeneß: »Als Bundestrainer kam er vielleicht eher stur rüber, ich ahnte gar nicht, dass er sich andere Meinungen anhört und sich von guten Argumenten überzeugen lässt.« War Klinsmann da noch Trainer? Oder war es nicht längst schon Hoeneß, der das Ruder übernommen hatte?
In der Hinrunde arbeitete Klinsmann jedoch noch wie besessen an seiner Mission, den FC Bayern auf den Kopf zu stellen. Schon gleich nach dem Aufstehen soll er sich in seinem Haus in Grünwald um sechs Uhr morgens Erinnerungszettelchen geschrieben haben. War es Bewunderung oder eine gewisse süffisante Häme, als Hoeneß in diesem Zusammenhang witzelte: »Bestimmt fällt ihm auch noch etwas ein, wenn er nachts mal kurz aufsteht.«
Dank einer glücklichen Auslosung und ein paar ordentlichen Auftritten erreichte Bayern in der Champions League souverän das Achtelfinale. In der Bundesliga wurden von den letzten zehn Spielen der Hinrunde acht gewonnen, keines verloren. Nach einem spektakulären 2 : 1 gegen den ebenso frechen wie brillanten Emporkömmling Hoffenheim kurz vor Weihnachten schien die Wende endlich geschafft. Klinsmann war derart elektrisiert, dass er Hand in Hand mit den Spielern vor der Kurve zur Welle ausholte – was einige Profis wie die Vorstandschaft leicht irritiert zur Kenntnis nahmen. Hatte man Ähnliches etwa je bei einem Hitzfeld oder anderen Trainern gesehen? Klinsmann war im Grunde noch ein Spieler, ein impulsiver Stürmer, und genauso stellte er auch auf. Später sollte man ihm dies im Verein vorwerfen: Es sei nicht innovativ, sondern schlicht falsch, eine Mannschaft im Sturm beginnend, also von vorne nach hinten, aufzustellen. Vom Torwart aus, bei der Absicherung aus der Abwehr heraus, so stelle man eine Mannschaft auf. Schließlich gewinne die Defensive die Meisterschaften, die Offensive – wie das alte Sprichwort sagt – ja nur einzelne Spiele. Und so sollte es auch kommen.
Es kam auch die nächste Krise. Denn keines der ersten drei Rückrunden-Auswärtsspiele wurde gewonnen, zwischendurch wurde sogar mit einem erschreckend schwachen Auftritt 1 : 2 gegen Aufsteiger Köln verloren. Im Pokal gab es beim 2 : 4 in Leverkusen eine Lehrstunde– Klinsmanns Fürsprecher im Verein verstummten allmählich. Doch viel schlimmer für den Coach: Die Mannschaft lehnte sich öffentlich gegen seine zu euphorische, zu riskante Offensivtaktik auf. Man besprach sich vor dem Champions-League-Achtelfinale bei Sporting Lissabon miteinander und ging dann zum Trainer. Paradoxerweise verhalf eine stabilere, defensivere Grundordnung zu einem hohen 5:0-Sieg. »Bild« titelte am Donnerstag euphorisch: »5 : 0 – Klinsmanns größter Sieg!« Dennoch war der Trainer angeschlagen. »5 : 0 – Klinsmanns größte Niederlage«, schrieb die »Abendzeitung« am Freitag. Das Aufbegehren der Mannschaft kam einer Entmachtung gleich. Hoeneß wusste das, nur zugeben konnte, ja durfte er es natürlich nicht.
Drei Tage nach Lissabon wurde er nach dem 0 : 0 in Bremen darauf angesprochen. Das Interview ist ein Musterbeispiel dafür, wie Hoeneß als Anwalt seines Vereins bedingungslos für den Angeklagten kämpft und sich Frage für Frage weiter in Rage redet.
Reporter: »Trainer Jürgen Klinsmann hat das System auf ein 4-5-1 zu Beginn des Spiels umgestellt. Waren Sie deshalb überrascht?«
Hoeneß: »Davon habe ich keine Ahnung, und Sie haben auch keine Ahnung. Das sollten wir den Trainer entscheiden lassen.«
Reporter: »Während der Woche gab es aber Diskussionen über den Trainer. Was sagen Sie dazu?«
Hoeneß: »Das ist ein Unding, was da passiert ist! Wenn ich auf jede Indiskretion, die nicht belegbar ist, reagiere, dann habe ich die ganze Woche über viel zu tun. Aber dagegen werden wir uns zu wehren wissen. Noch massiver, als es in den letzten drei Tagen der Fall war.«
Reporter: »Die Indiskretionen kommen angeblich auch aus dem Kreis der Mannschaft.«
Hoeneß: »Dann sollen sie die Namen schreiben, dann sollen sie sagen: Der und der
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