Hier kommt Hoeneß!
Verein zum Anfassen ist. Das ist unsere Tradition, unsere Kultur.«
Im Jahr 2008 holte er sich mit Klinsmann letztlich den Kulturschock in Blond persönlich ins Haus. Denn dieser setzte die Trainingsmethoden von Trapattoni aus den 90er-Jahren einfach fort, nur noch einen Tick, wie er so gerne sagte, radikaler. Das Freiluftgehege Säbener 51 mit seiner Streichelzoo-Atmosphäre – zu Ferienzeiten stürmen dort Tausende das Gelände und bedrängen die Spieler – war ihm ein Graus. Die Vorstellung, unter diesen Umständen arbeiten zu müssen, ebenso. Er kannte aus Italien und England das Vorgehen, als geschlossene Gesellschaft zu trainieren. Die Fankultur in Deutschland ist aber eine andere. Klinsmann war sich selbst jedoch der Nächste. »Ich gehöre keinem außer mir«, charakterisierte er sich einmal. Seine Spieler wollte er künftig so vor der Öffentlichkeit abschirmen wie seine Familie. Rummenigge zitierte Arsenal-Trainer Wenger mit den Worten, die ihm wohl Klinsmann vorgesungen hatte: »Der Trainingsplatz ist für die Mannschaft da, das Stadion für die Fans.« Ein Trainer sollte aber auch für die Fans da sein. Doch Klinsmann ging auf Distanz. Er, dem es in seiner Karriere als Spieler immer wichtig gewesen war, seinen Horizont zu erweitern, zäunte ab Juli seine Mannschaft ein. Er, der früher die Kasernierung als Profi gehasst hatte, führte nun völlig euphorisch den Achtstundentag ein. »Wir müssen uns öffnen und über die Grenzen schauen«, lautete ein Credo von Klinsmann. Er hat sich geöffnet – und sperrte zu.
Als WM-Bundestrainer hatte Klinsmann sukzessive immer mehr Einheiten zur Privatsache der Mannschaft erklärt, das Hotel wurde wie ein Fort bewacht und abgeriegelt. Der WM-Erfolg und die Straßenfeste in den Städten erlaubten ihm die Abschaffung des Trainingstourismus. Nun war der FC Bayern mit seinen über 130 000 Mitgliedern dran. Und die Verantwortlichen versuchten zu beschwichtigen. »Die Nähe zu den Fans und die Nähe der Fans zum FC Bayern ist eine Philosophie unseres Klubs, wie sie kaum anderswo in Deutschland und Europa so gelebt wird. Daran soll und wird sich nichts ändern«, hieß es in einer eigens veröffentlichten Presseerklärung. Zwei Tage zuvor hatte sich das Ganze noch so angehört: »Wir müssen den veränderten Verhältnissen im Profifußball Rechnung tragen.« Absender der Botschaft war Karl-Heinz Rummenigge. Der Projekttrainer Klinsmann stand also als Synonym für die »veränderten Verhältnisse im Profifußball«.
Ausgerechnet Klinsmann, der sich als Profi gern das Image des »anderen Profis« gegeben hatte, weil er sich tatsächlich für andere Dinge als schnelle Autos und teure Klamotten interessierte. Geschickt schuf er sich damals ein Image zwischen Rucksacktourist und Käfer-Fahrer. Ausgerechnet Klinsmann, der Autodidakt als Torjäger und Trainer, arbeitete plötzlich gern im Team – mit der Prämisse, dass er die Richtung vorgab. Er glaubte daran, dass Erfolg planbar ist. Dafür tat er alles.
Als Klinsmann seinen Vertrag im Januar unterschrieben hatte, begannen die Planungen für die neue Saison. Nicht unbedingt, was Spielertransfers betrifft, doch das Vereinsgelände sollte auf den Kopf gestellt werden. Da die Bayern-Verantwortlichen ohnehin vorhatten, ein paar Bereiche des Profitraktes zu sanieren, schlug Klinsmann vor, gleich den ganzen Laden auseinanderzunehmen. Und das nicht im übertragenen Sinne, wie er das vor seiner Beschäftigung als Nationaltrainer 2004 gesagt hatte, sondern ganz konkret. Die Bayern-Bosse waren von seinen Ideen begeistert – und schon begann die richtig große Revolution. Bagger für Bagger wurde am Platzverweis für die Fans an der Säbener Straße gearbeitet. Eine Sperre über eine komplette Saison– mit wenigen Ausnahmen pro Monat.
Das Klubrestaurant »Insider«, ein beliebter Treff, um bei Weißbier und Weißwürsten hinter Glas das Training zu beobachten und mit anderen Fans über die gemeinsame Leidenschaft zu diskutieren, wurde im Mai geschlossen. Nach dem Umbau sollte es dann den Angestellten und Mitarbeitern vorbehalten sein, als Kantine für das Mittagessen. Wer nicht bei Bayern arbeitete, käme dann nicht mehr rein. Die Gastfreundschaft und Gemütlichkeit waren ausgezogen, die Bayern eine geschlossene Gesellschaft. Der innerste Zirkel sollte nur Klinsmann und dem Trainerstab vorbehalten sein. Klinsmann wollte alle Schlösser austauschen lassen. Wie ein Vereinsangestellter verriet, wollte er sogar, dass die Angestellten
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