Hier kommt Hoeneß!
hat das und das behauptet. Dann nehme ich das ernst.«
Reporter: »Waren Sie nach dem 5 : 0 in Lissabon über das Echo überrascht, das ja fast negativ war und nicht positiv?«
Hoeneß: »Das Echo wurde doch von einer bestimmten Seite geschürt. Es hat sich herausgestellt, dass das eine Sauerei war, und es hat sich herausgestellt, dass das eine Ente war. Wir müssen uns permanent rechtfertigen für Dinge, die einige Ihrer Kollegen in die Welt setzen. Das ist das Problem. Wir gewinnen 5 : 0 in Lissabon und haben 80 Prozent negative Presse. Das ist doch der Witz des Jahres!«
Der Konflikt zwischen Mannschaft und Trainer schwelte jedoch weiter. Zweimal gelang es Klinsmann allerdings, vermeintliche Endspiele um seinen Job nach vorherigen Pleiten zu gewinnen. 5 : 1 gegen Hannover, 4 : 0 gegen Frankfurt. Und das nach der Schande von Barcelona. Mit 0 : 4 waren die ersatzgeschwächten Bayern beim FC Barcelona untergegangen, besonders die vier Gegentore in der ersten halben Stunde gingen als größtmögliche Demütigung in die Geschichte des Vereins ein.
Bei seiner Bankettrede im feudalen Mannschaftshotel »Rey Juan Carlos« sagt Karl-Heinz Rummenigge pathetisch: »Ich weiß nicht, was ich mehr bin – schockiert, traurig oder wütend.« Dann hält er inne und deutet auf Udo Lattek. Der Mann, der für die großen Erfolge der 70er- und 80er-Jahre steht und auf Einladung des FC Bayern mitgereist ist, sitzt am Tisch der Granden mit Rummenigge, Hoeneß, Beckenbauer. Rummenigge macht eine Pause und fährt dann fort: »Ich habe unseren alten Freund Udo Lattek in der Halbzeit gesehen«, Rummenigge macht wieder eine Pause, um die Dramaturgie zu steigern, und sagt dann: »Er hat geweint.«
Im Grunde war das die Kündigung. »Ich habe Jürgen nach dem Spiel in Barcelona am Donnerstag privat bei mir zu Hause gesagt: Wenn wir noch ein Bundesliga-Spiel verlieren, wird es eng für dich«, sollte Hoeneß nach der Saison erzählen. Und so kam es dann auch. Das 4 : 0 gegen Frankfurt bedeutete nur eine Woche Aufschub, ebenso das 1 : 0 in Bielefeld. Es folgten ein 0 : 1 gegen Schalke und zwei Tage darauf die Kündigung.
Für neun Uhr bestellt Rummenigge Klinsmann am 27. April ins Vorstandsbüro. Das Gespräch ist kurz, den Rest sollen die Anwälte regeln. Kurz nach zehn Uhr verlässt Klinsmann in Begleitung seines Agenten das Gelände. Als er aus der Tiefgarage fährt, wartet bereits ein Dutzend TV-Teams und Fotografen auf den Gescheiterten. Es geschieht genau das, was er am meisten hasst. Ihm wird aufgelauert, aus kurzer Distanz mit den Kameras ins Gesicht geblitzt. Es war sicher kein Zufall – die Bayern hatten die Online-Vorabmeldung einer Zeitung rechtzeitig bestätigt.
Am Nachmittag lud der Verein zu einer Pressekonferenz ein, und da saßen sie wieder. Der komplette Vorstand, die Dreifaltigkeit des FC Bayern, war angetreten, um Jürgen Klinsmann, der schon weg war, zu verabschieden. Als Erste-Hilfe-Maßnahme, um wenigstens die Teilnahme an der kommenden Champions-League-Saison sicherzustellen, verpflichtete man kurzerhand den Anti-Klinsmann schlechthin: Jupp Heynckes. Einen alten Bekannten, von Hoeneß als »alter Kumpel« begrüßt. Einen eher konservativen Trainer, einen 20 Jahre älteren Mann. Man gab sich recht milde auf dem Podium. Nein, nein, schmutzige Wäsche wolle man nicht waschen nach Klinsmanns Entlassung. Eine Spitze musste aber doch sein. Hoeneß betonte, dass die Wahl auf Heynckes gefallen sei, weil man wieder »einen Fußballlehrer« beschäftigen wolle. Und was war Klinsmann?
Ein Fehlgriff wie selten zuvor in der Geschichte des FC Bayern. Nur wo ist er einzustufen im Ranking der Trainer, die Hoeneß eingestellt hat? Da waren die alten Hasen wie etwa Erich Ribbeck, der von März 1992 bis kurz nach Weihnachten 1993 unter Beweis stellte, dass er kein Mann seiner Zeit mehr war. Oder Otto Rehhagel, der im Sommer 1995 verpflichtet wurde und eine neue Ära einleiten sollte. Als immerhin Tabellenzweiter und Uefa-Cup-Finalist wurde Rehhagel entlassen und von Franz Beckenbauer höchstpersönlich abgelöst. Im April 1996 klang Hoeneß so, als er über den Rauswurf des Hoffnungsträgers Rehhagel sprach: »Wir haben alle gekämpft. Der Franz Beckenbauer, der Karl-Heinz Rummenigge und ich, wir waren alle einer Meinung. Wir haben viel Geld eingesetzt, aber Otto Rehhagel hat uns jahrelang mit wenigen Mitteln in Bremen geärgert. Da dachten wir, das ist der richtige Trainer. Aber es hat sich nach relativ kurzer Zeit
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