Hier kommt Hoeneß!
und Medienmitarbeiter nicht einmal mehr Zugang zum Lizenzspielertrakt bekämen. So schafft man kurz nach Amtsantritt jedoch nicht gerade Vertrauen.
Neben der Vereinsgaststätte wurde dann auch der Profibereich renoviert. Lounges hießen die neuen Räume, Klinsmann nannte sie so. Ein großer, überdachter Spielplatz für die Stars, ihre Familien – samt Weiterbildungsmöglichkeit. Ein Bücherregal mit allen Klassikern wurde aufgestellt, dazu ein Billardtisch, ein DJ-Pult. Körper und Geist wollte er schulen. Doch die Horizonterweiterer, Klassiker der Weltliteratur als Hardcover oder Paperback, blieben unberührt. Sprachkurse, PC-Kurse, Yogakurse. Auch die Optik musste stimmen, das Karma.
In Absprache mit dem Architekten Jürgen Meißner, der schon das WM-Quartier »Schlosshotel Grunewald« 2006 in Berlin fußballergerecht gestaltet hatte, ließ Klinsmann im neuen Leistungszentrum ein paar Buddhafiguren aufstellen, auf dem Dach ebenfalls – alles sollte reine Dekoration sein. Für Entspannung sollte Klinsmann damit allerdings nicht sorgen, schon gar nicht bei den Medien. Hoeneß musste wieder vermitteln und erklären – was ihn jedoch erzürnte: »Wir haben Briefe erhalten, unter anderem auch von Pfarrern, mit dem Vorwurf, wir würden versuchen, die Spieler einem anderen Glauben zu unterwerfen.« Zwei Monate nachdem die Buddhas auf dem Dach aufgestellt worden waren, verschwanden sie wieder. Einfach so. Ganz plötzlich. So räumt man einen Fehler öffentlich ein.
Auch die anfängliche Politik der Distanzierung von den Medien lockerte Klinsmann. Kurz vor der Winterpause wurde der Unnahbare – nachdem er den ersten Gegenwind, der bereits zum Sturm zu werden drohte, überstanden hatte – langsam zutraulich. Eine Redaktion nach der anderen lud er daraufhin in die Säbener Straße ein, um Reporter durch die mysteriösen, weil unbekannten Räume des neuen Leistungszentrums zu führen. Dabei war er derart freundlich, als wäre er ein Hotelier, der sein Ferienhaus zur Vermietung präsentierte. Klinsmann öffnete sich, erklärte alles plausibel, bot seinen geliebten Espresso an. Die Sache hatte nur einen Haken, wie ihm auch Vereinsangestellte vorwarfen: Sie kam viel zu spät. Längst war das entstandene Misstrauen der Journalisten nicht mehr abzubauen. Was Klinsmann jedoch nicht registrierte. Für die Mannschaft, seinen Trainerstab und sich selbst hatte er einen Rückzugstempel geschaffen. Die Spieler kamen sich vor wie in einem Clubhotel, es fehlte an nichts. Nur an Punkten, als dann die Saison losgegangen war.
Hoeneß, eher ein Purist in diesen Dingen, beobachtete die seltsame neue Bayern-Welt mit Argwohn, schwieg aber. Ein Büro weiter gab Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge gegenüber der Presse zu Protokoll: »Wir haben jetzt eine richtige Wohlfühloase, um die uns Vereine in der ganzen Welt beneiden.« Dummerweise wurde im Herbst die Wohlfühloase für die Gegner meist direkt im Bayern-Strafraum eingerichtet. Zu offensiv war Klinsmann darangegangen, die seit Jahrzehnten eher vorsichtig-bedächtige Spielweise der Bayern im Eiltempo zu revolutionieren. Er übertünchte seine taktisch-abenteuerlichen Vorstellungen mit Begriffen wie »Energiefeld« bis »Empowerment«, mit Begriffen aus dem internationalen Management. Der Fußball der Bayern sollte internationalisiert werden, von »one touch« war die Rede, nur ein Ballkontakt bis zum Abspiel galt als Verheißung.
Doch einzig die Gegner konnten das Energiefeld für sich nutzen. Ein 2 : 5 nach dem 0:5-Rückstand im eigenen Stadion gegen Werder Bremen – und das auch noch zur Oktoberfestzeit. Eine schlimmere Demütigung war kaum vorstellbar. Am nächsten Wochenende dann folgte eine 0:1-Pleite in Hannover – die erste Krise war da. Klinsmann hatte Gräben aufgerissen, nach dem Clubheim an der Säbener Straße nun die Mannschaft auseinandernehmen wollen. Kapitän Mark van Bommel setzte er zwischenzeitlich auf die Bank, keine gute Entscheidung. Schon im Herbst hatte er den einflussreichsten Spieler der Mannschaft nicht mehr auf seiner Seite.
Hoeneß schien in dieser Zeit buddhistische Züge anzunehmen, wenngleich er in diesen Tagen zu Vertrauten sagte: »Der FC Bayern befindet sich in der schwierigsten Situation der vergangenen 30 Jahre.« Vielleicht weil die Entscheidung pro Klinsmann die riskanteste und waghalsigste seiner Managerzeit gewesen war? Nach außen bemühte er sich, mal ganz anders zu sein, einfach die Ruhe selbst. Um dann schließlich doch die Autorität
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