High Fidelity (German Edition)
überprüft hast, Mum.«
»Das muß ich nicht, danke bestens. Ich kenne dich, mein Lieber.«
»Du kanntest mich, als ich achtzehn war. Du weißt nicht, wie ich jetzt bin, Pech gehabt.« Woher kam dieses kindische, vorlaute, spöttische »Pech gehabt«? Oh, ich weiß schon, wo es herkam – direkt aus dem Jahr 1973.
»Er ist viel ordentlicher als ich«, sagt Laura schlicht und würdevoll. Ich habe diesen Satz mindestens zehnmal gehört, mit genau derselben Betonung, seit ich gezwungen war, Laura das erste Mal mit hierherzubringen.
»Oh, er ist wirklich ein guter Junge. Ich wünschte nur, er würde etwas aus sich machen.«
»Das wird er.« Und sie sehen mich beide zärtlich an. Ja, ich habe mich dummquasseln, gängeln und beglucken lassen müssen, aber jetzt herrscht ein sanftes Glühen in der Küche, echte dreiseitige Zuneigung, wo vorher womöglich nur gegenseitige Abneigung gewesen wäre, die dazu geführt hätte, daß meine Mum in Tränen ausbricht und ich die Tür hinter mir zuknalle. So gefällt es mir wirklich besser, ich bin froh, daß Laura hier ist.
H andzettel – ich bin dafür. Die einzige kreative Idee, die ich je im Leben hatte, war die einer Ausstellung mit Fotos von Handzetteln. Es würde zwei oder drei Jahrzehnte dauern, genug Material zusammenzubekommen, aber nach der Fertigstellung würde es wirklich gut aussehen. Im Fenster des mit Brettern vernagelten Ladens gegenüber meinem hängen Dokumente von historischer Bedeutung: Handzettel, die einen Frank-Bruno-Kampf › Anmerkung ankündigen und eine Anti-Nazi-Demonstration, die neue Prince-Single, einen westindischen Komiker und alle möglichen Gigs, und in wenigen Wochen werden sie verschwunden sein, überdeckt vom Staub der Zeit – oder zumindest von einem Werbeplakat für das neue U2-Album. Das gibt einem einen Eindruck vom Lebensgefühl der Epoche, stimmt's? (Ich will euch in ein Geheimnis einweihen: Ich habe das Projekt tatsächlich in Angriff genommen. 1988 schoß ich mit meiner Instamatic etwa drei Fotos von einem leerstehenden Ladenlokal in der Holloway Road, aber dann vermieteten sie den Laden, und irgendwie schwand meine Begeisterung. Die Fotos waren gut – passabel immerhin –, aber niemand wird einen drei Fotos ausstellen lassen, oder?)
Trotz allem stelle ich mich ab und zu selbst auf die Probe: Ich starre auf die Ladenfront, um mich zu vergewissern, daß ich von den Bands gehört habe, deren Gigs angekündigt werden, aber die traurige Wahrheit ist, daß ich den Anschluß verliere. Früher kannte ich jeden, jeden einzelnen, noch so dämlichen Namen, jeden noch so kleinen Auftrittsort. Und dann, vor drei oder vier Jahren, als ich aufhörte, jedes einzelne Wort in den Musikzeitungen zu verschlingen, fiel mir auf, daß mir die Namen der Bands, die in kleineren Clubs der Pubs auftraten, nicht mehr geläufig waren. Im letzten Jahr traten einige Bands im Forum auf, deren Namen mir nicht das geringste sagten. Das Forum! Eine Halle, die fünfzehnhundert Leute faßt! Eintausendfünfhundert Menschen gehen sich eine Band ansehen, von der ich noch nie gehört habe! Als mir das zum erstenmal passierte, war ich den ganzen Abend lang deprimiert, wahrscheinlich, weil ich den Fehler begangen hatte, Dick und Barry meine Unkenntnis einzugestehen. (Barry platzte fast vor Hohn und Spott, Dick starrte in seinen Drink, weil es ihm so peinlich für mich war, daß er mir nicht in die Augen sehen konnte.)
Trotz allem noch mal. Ich mache meine Stichprobe (wenigstens ist Prince dabei, also schließe ich nicht mit null Punkten ab – eines Tages werde ich mit null Punkten abschließen, und dann werde ich mich aufhängen) und bemerke einen Handzettel, der mir vertraut vorkommt. »AUF VIELFACHEN WUNSCH!« steht darauf. »DIE RÜCKKEHR DES GROUCHO CLUB!« Und darunter: »JEDEN FREITAG AB 20. JULI IM DOG AND PHEASANT.« Ich stehe eine Ewigkeit mit offenem Mund da und sehe mir den Handzettel an. Er hat dieselbe Farbe und Größe, den unserer früher hatte, und sie haben sogar die Frechheit besessen, unser Design und unser Logo abzukupfern – Brille und Schnurrbart von Groucho Marx auf dem zweiten »O« von GROUCHO und die Zigarre, die zwischen den Pobacken (das mag nicht der technisch korrekte Ausdruck sein, aber so nannten wir das) des »B«s am Ende von »CLUB« steckt.
Auf unseren Handzetteln war unten immer eine Zeile, in der die Musik, die ich spielte, aufgeführt war. Den Namen des brillanten, begnadeten DJs hatte ich immer dahinter gequetscht, in der
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