High Fidelity (German Edition)
Menschen arbeiten, und sie müssen sich diese Position erkämpfen und haben vielleicht aus diesem Grund nicht das Gefühl, das wahre Leben würde sich anderswo abspielen. Ich fühle mich nicht mal in meiner eigenen Welt als Mittelpunkt, wie soll ich mich dann als Mittelpunkt der Welt eines anderen fühlen können? Als der letzte Mensch aus dem Laden gescheucht ist und ich die Tür hinter ihm schließe, überkommt mich plötzliche Panik. Ich weiß, daß ich wegen des Ladens etwas unternehmen – ihn aufgeben, niederbrennen, was auch immer – und mir einen Beruf suchen muß.
A ber seht mal:
Meine fünf Traumjobs
1. Journalist beim NME, 1976–79.
The Clash, die Sex Pistols, Chrissie Hynde, Danny Baker usw. kennenlernen. Zentnerweise Platten umsonst bekommen – und gute auch noch. Danach meine eigene Quizsendung machen oder so was.
2. Produzent, Atlantic Records, 1964–71 (ca.).
Aretha, Wilson Pickett, Solomon Burke etc. kennenlernen. Haufenweise Platten umsonst bekommen (wahrscheinlich) – und gute auch noch. Geld wie Heu verdienen.
3. X-beliebige Musikerkarriere (außer klassisch oder Rap)
Spricht für sich selbst. Aber ich wäre schon als Mitglied der Memphis Horns zufrieden gewesen – Hendrix oder Jagger oder Otis Redding zu sein, verlange ich gar nicht.
4. Filmregisseur
Wiederum ein x-beliebiger, wenn auch vorzugsweise nicht deutsch oder Stummfilm.
5. Architekt
Überraschende Plazierung auf Nummer fünf, ich weiß, aber im technischen Zeichnen war ich in der Schule ganz gut.
Und damit hat sich's. Und außerdem ist das nicht etwa die Liste meiner Top Five: Es gibt keine Nummer sechs oder sieben, die ich wegen der strengen Bedingungen der gestellten Aufgabe hätte rauslassen müssen. Um ehrlich zu sein, bin ich auch nicht ganz so scharf darauf, Architekt zu werden – ich fand nur, es würde etwas mager aussehen, wenn ich nicht mal fünf zusammenbekäme.
Es war Lauras Idee, ich solle eine Liste machen, und eine vernünftige fiel mir nicht ein, also machte ich eine blöde. Ich wollte sie ihr nicht zeigen, aber irgendwas muß mich gebissen haben – Selbstmitleid, Neid, so was – und ich zeige sie ihr doch.
Sie reagiert nicht.
»Dann muß es Architektur sein, was?«
»Muß wohl.«
»Sieben Jahre studieren.«
Ich zucke die Achseln.
»Bist du dazu bereit?«
»Eigentlich nicht.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich Architekt werden will.«
»Du hast hier also eine Liste von fünf Jobs, die du gerne machen würdest, wenn Qualifikation, Zeit, Geschichte und Gehalt kein Hindernis wären, und auf einen davon bist du nicht besonders scharf.«
»Na ja, ich habe ihn an Nummer fünf gesetzt.«
»Du wärst wirklich lieber Journalist beim NME geworden als, sagen wir mal, Weltumsegler im sechzehnten Jahrhundert, oder König von Frankreich?«
»O Gott, ja.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Was hättest du denn auf der Liste?«
»Hunderte von Sachen. Bühnenautorin. Ballettänzerin. Musikerin, ja, aber auch Malerin oder Dekanin einer Universität oder Romanschriftstellerin oder internationale Spitzenköchin.«
»Internationale Spitzenköchin?«
»Ja. Das ist ein Talent, das ich zu gerne hätte. Du nicht?«
»Ich hätte nichts dagegen. Aber ich würde nicht gerne abends arbeiten.« Und ich würde es auch nicht tun.
»Dann kannst du ebensogut in deinem Laden bleiben.«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Tätest du das nicht lieber als Architekt zu werden?«
»Ich glaube schon.«
»Na bitte, da hast du's. Das kommt an Nummer fünf deiner Traumjobliste, und da die anderen vier völlig unpraktikabel sind, bist du besser dran, wo du bist.«
Ich sage Dick und Barry nicht, daß ich mit dem Gedanken spiele, dichtzumachen. Aber ich frage sie nach ihren fünf Traumjobs.
»Darf man Untergruppen machen?«
»Wie meinst du das?«
»Zählen Saxophonist und Pianist zum Beispiel als zwei Jobs?«
»Würde ich sagen.«
Im Laden herrscht Schweigen; einige Augenblicke lang ist er zur Grundschulklasse während einer stillen Zeichenstunde geworden. Es werden Kulis angekaut, Sachen ausgestrichen, Brauen gerunzelt, und ich schaue ihnen über die Schulter.
»Und was ist mit Bassist und Leadgitarrist?«
»Ich weiß nicht. Ein und dasselbe würde ich sagen.«
»Was, für dich hatte Keith Richards denselben Job wie Bill Wyman?«
»Ich sagte nicht, sie hätten …«
»Das hätte ihnen jemand sagen sollen. Einer von ihnen hätte viel Zeit sparen können.«
»Was ist zum Beispiel mit
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