High Fidelity (German Edition)
machen vulgäre Sachen mit der Pfeffermühle, die sie anscheinend witzig findet. Es ist ja oft so, daß Menschen, die ihre Arbeit ernst nehmen, über saublöde Witze lachen; es ist, als litten sie an Humorunterversorgung und infolgedessen an vorzeitigem Lacherguß. Aber im Grunde ist sie in Ordnung. Sie ist ein prima Kerl, ein guter Kumpel, und es ist gar nicht schwer, über Chris Thomson und übers Nageln zu reden. Ich falle einfach mit der Tür ins Haus.
Ich versuche die Story in unbeschwertem, selbstironischem Stil vorzutragen (sie handelt von mir, nicht ihm oder ihr), aber sie ist entsetzt, regelrecht angewidert: Sie legt Messer und Gabel hin und wendet sich ab, und ich kann sehen, daß ihr die Tränen kommen.
»Du Mistkerl«, sagt sie. »Ich wünschte, das hättest du mir nicht erzählt.«
»Tut mir leid. Ich dachte nur, na ja, lange her und so.«
»Tja, für dich ist es offensichtlich nicht so lange her.«
Nicht von der Hand zu weisen.
»Nein. Aber ich fand es halt eigenartig.«
»Woher überhaupt dieses plötzliche Bedürfnis, mir davon zu erzählen?«
Ich zucke die Achseln. »Weiß nicht. Einfach …«
Und dann beweise ich ihr, daß ich es, ganz im Gegenteil, sehr wohl weiß: Ich erzähle ihr von Laura und Ian (wenn ich ihr auch nichts von Marie oder Geld oder Abtreibungen oder Nervensägen-Rosie erzähle) und von Charlie, über Charlie vielleicht mehr, als sie wissen möchte. Und ich versuche ihr zu erklären, daß ich mir wie der Minusmann vorkomme, und daß Charlie mit Marco schlafen wollte statt mit mir, und Laura mit Ian schlafen wollte statt mit mir, und Alison Ashworth, selbst vor all den langen Jahren, sich lieber von Kevin Bannister als von mir betatschen lassen wollte (obwohl ich ihr meine jüngste Entdeckung über unausweichliches Kismet offenbare), und da sie, Penny, mit Chris Thomson statt mit mir schlafen wollte, sei sie vielleicht in der Lage, mir verstehen zu helfen, warum ich offenbar dazu verdammt sei, sitzenzubleiben.
Und sie sagt mir mit großem Nachdruck, mit Gehässigkeit , offen gesprochen, woran sie sich erinnert: daß sie verrückt nach mir war, daß sie mit mir schlafen wollte, eines Tages, aber nicht mit sechzehn, und daß sie, als ich sie abservierte – »Als du mich abserviert hast«, wiederholt sie wutschnaubend, »weil ich, um deinen charmanten Ausdruck zu wiederholen, ›verklemmt‹ sei, hab' ich geheult und geheult, und ich haßte dich. Und dann hat mich der kleine Schleimscheißer eingeladen, und ich war zu erschöpft, um ihn abzuwimmeln, und es war keine Vergewaltigung, weil ich okay gesagt habe, aber es fehlte nicht viel. Und ich hatte mit keinem mehr Sex bis nach der Universität, weil ich es so widerlich fand. Und jetzt willst du einen Plausch über Abfuhren halten. Ehrlich, fick dich, Rob.«
Das ist dann also noch eine, über die ich mir keine Gedanken machen muß. Das hier hätte ich schon vor Jahren tun sollen.
A n die Innenseite der Ladentür ist mit Klebeband ein handgeschriebener, vergilbter und ausgeblichener Zettel geklebt. Darauf steht folgendes: HIP YOUNG GUNSLINGERS (BASS, SCHLAGZEUG, GITARRE) FÜR BAND GESUCHT. MÜSSEN AUF REM, PRIMAL SCREAM, FANCLUB ETC. STEHEN. IM LADEN NACH BARRY FRAGEN.
Ursprünglich endete die Anzeige mit dem drohenden Nachsatz »SLACKER UNERWÜNSCHT«, aber nach enttäuschender Resonanz in den ersten paar Jahren der Rekrutierungskampagne entschied sich Barry, daß Slacker letztendlich doch willkommen seien, wenn auch ohne nennenswerten Effekt. Vielleicht brachten sie es nicht auf die Reihe, von der Tür zum Ladentisch zu schlurfen. Vor einer Weile fragte ein Kerl mit eigenem Schlagzeug nach, und wenn sein minimalistisches Drums/ Vocals-Duo auch einige Male probte (traurigerweise haben keine Tapes überlebt), beschloß Barry schließlich und vielleicht zu recht, daß er einen volleren Sound brauche.
Seit damals allerdings ist Funkstille … bis heute. Dick sieht ihn zuerst – er stupst mich an, und wir beobachten fasziniert, wie dieser Kerl auf den Zettel glotzt. Als er sich umdreht, um nachzusehen, wer von uns Barry sein könnte, gehen wir allerdings schnell wieder an unsere Arbeit. Er ist weder hip noch jung – er sieht eher nach Status-Quo-Roadie als nach einem zukünftigen Coverstar von Smash Hits aus. Er hat langes, strähniges dunkles Haar, das er zum Pferdeschwanz zurückgebunden hat, und eine Wampe, die sich über den Gürtel geschummelt hat, um sich etwas mehr Platz zu schaffen.
Schließlich kommt er zum
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