High Fidelity (German Edition)
musikalischer Universalbildung aufgeschnappt habe. Dazu ist es aber nicht gekommen. Ich weiß nichts über Kate Adies Liebesleben, aber es kann unmöglich in schlimmerem Zustand sein als meins, oder? Ich habe fast dreißig Jahre lang Leute über gebrochene Herzen singen hören, und hat es mir das kleinste bißchen geholfen? Einen Scheiß hat es.
Also ist vielleicht an dem, was ich eben sagte, von wegen zu viele Platten hören, würde einem das Leben versauen … vielleicht ist da doch etwas dran. David Owen, der ist verheiratet, oder? Der hat das alles geregelt, und jetzt ist er ein hoher Diplomat. Der Kerl mit dem Anzug und dem Autoschlüssel, der in den Laden gekommen ist, der ist auch verheiratet, und er ist jetzt, was weiß ich, Geschäftsmann. Ich bin unverheiratet – im Moment so unverheiratet, unverheirateter geht's nicht – und Besitzer eines maroden Plattenladens. Mir scheint, wenn man Musik (und Bücher vielleicht und Filme und Theaterstücke und alles, was einen fühlen läßt) in den Mittelpunkt seines Seins stellt, dann kann man es sich nicht leisten, sein Liebesleben zu ordnen, es sich mal als fertiges Produkt zu denken. Man muß daran herummäkeln, es lebendig und in Aufruhr halten, man muß darin herumstochern und es aufdröseln, bis sich alles in seine Bestandteile auflöst und man genötigt ist, wieder ganz von vorne anzufangen. Vielleicht haben wir alle zu hochgeschraubte Erwartungen ans Leben, wir, die wir den ganzen Tag lang Emotionalien aufsaugen, und als Folge dessen können wir uns nie einfach nur zufrieden fühlen: Wir müssen unglücklich oder ekstatisch, bis über beide Ohren glücklich sein, und diese Zustände sind in einer stabilen, soliden Beziehung schwer zu erreichen. Vielleicht trägt Al Green für viel mehr die unmittelbare Verantwortung, als ich mir je klargemacht habe.
Seht ihr, Platten haben mir geholfen, mich zu verlieben, keine Frage. Ich höre etwas Neues, mit einem Akkord, der mich dahinschmelzen läßt, und ehe ich weiß wie, suche ich nach jemandem, und ehe ich mich versehe, habe ich sie gefunden. In Rosie, die Frau mit dem Simultanorgasmus, habe ich mich verliebt, nachdem ich mich in einen Cowboy-Junkies-Song verliebt hatte: Ich spielte und spielte und spielte ihn immer wieder, und er machte mich träumerisch, und ich brauchte jemanden, von dem ich träumen konnte, und ich fand sie, und … ja, dann hatte ich den Salat.
P enny ist locker. Ich meine nicht, ihr wißt schon, locker (wenn ich das meinte, müßte ich mich nicht mit ihr treffen, um übers Nageln und Chris Thomson zu reden, weil ich sie zuerst genagelt hätte, und er hätte sich am nächsten Morgen nicht in der Klasse das Maul zerreißen können); ich meine, sie ist locker aufzuspüren. Meine Mum sieht ihre Mum ziemlich oft, und vor kurzem gab Mum mir ihre Telefonnummer und sagte mir, ich solle mich melden, und Pennys Mum gab ihr meine, und keiner von uns beiden hat irgendwas unternommen, aber die Nummer habe ich trotzdem aufgehoben. Und sie ist überrascht, von mir zu hören – es entsteht eine lange Computerspeicherpause, während sie versucht, den Namen unterzubringen, und dann kommt ein kleines Lachen des Wiedererkennens – aber nicht unerfreut, glaube ich, und wir verabreden uns, um einen Film zu sehen, irgendein chinesisches Ding, das sie beruflich sehen muß, und nachher essen zu gehen.
Der Film ist okay, besser als ich erwartet hatte – er handelt von so einer Frau, die weggeschickt wird, um mit so einem Typen zu leben und er hat schon viele Frauen, und dann geht es darum, wie sie mit ihren Rivalinnen auskommt, und alles geht furchtbar schief. Natürlich. Aber Penny hat einen von diesen Stiften extra für Filmkritiker, an dessen Ende ein kleines Lämpchen ist (obwohl sie keine Filmkritikerin ist, sondern nur Radioreporterin bei der BBC), und die Leute sehen sich nach ihr um und stupsen sich an, und ich fühle mich irgendwie behämmert, hier mit ihr rumzusitzen. (Ich muß sagen, auch wenn es ungalant klingt, daß sie auch ohne ihren Filmkritikerstift schon komisch genug aussieht: Sie war immer ein Mädchen mit einem Faible für dezente Kleidung, aber was sie heute trägt – weites Blümchenkleid, beigen Regenmantel –, treibt dezent an die Grenze zu scheintot. »Was will der coole Typ in der Lederjacke von Virginia Bottomleys › Anmerkung älterer Schwester?« fragte sich das Publikum. Vielleicht.)
Wir gehen in einen italienischen Laden, den sie kennt, und die Leute kennen sie da auch und
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