High Fidelity (German Edition)
noch während des Gesprächs verheilt.
»Wenn sie das sagt, lügt sie wie gedruckt.« Das war als Witz gemeint, kommt aber völlig falsch an.
»Wie bitte?«
»Nein, im Ernst, Spaß beiseite, haha, ich bin vor Kevin mit ihr gegangen. Nur für eine Woche oder so« – ich muß hier ein bißchen strecken, denn würde ich die Wahrheit sagen, hielte sie mich für irre. »Aber Kleinvieh macht auch Mist, wie? Fummeln bleibt Fummeln, haha.« So einfach lasse ich mich nicht aus der Geschichte streichen. Ich habe meine Rolle gespielt. Ich habe meinen Beitrag geleistet.
»Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«
»Rob. Bobby. Bob. Robert. Robert Zimmerman.« Scheiße noch mal.
»Nun ja, Robert, ich werde ihr sagen, daß Sie angerufen haben, wenn ich mit ihr spreche. Aber ich bin nicht sicher, ob sie sich an Sie erinnert.«
Sie hat natürlich recht. Sie wird sich an den Abend erinnern, an dem sie mit Kevin zur Sache kam, aber nicht an den Abend davor. Wahrscheinlich erinnere nur ich mich an den Abend davor. Vermutlich hätte ich es schon vor Ewigkeiten vergessen sollen, aber im Vergessen bin ich nicht sehr gut.
Da kommt so ein Mann in den Laden, um seiner Frau zum Geburtstag die Titelmelodie von Fireball XL5 zu kaufen (und ich hab' sie, ein Original, und für einen Zehner gehört es ihm). Und er ist vielleicht zwei oder drei Jahre jünger als ich, aber er spricht sehr gewählt, und er klimpert mit seinen Autoschlüsseln, und aus irgendeinem Grund geben mir diese drei Dinge das Gefühl, gut zwei Jahrzehnte jünger zu sein als er, so um die Zwanzig gegen seine um die Vierzig. Und ich spüre plötzlich diesen brennenden Wunsch festzustellen, was er von mir hält. Ich gebe ihm natürlich nicht nach (»Da ist Ihr Wechselgeld, da ist Ihre Platte, und jetzt mal ehrlich, für Sie bin ich ein Heckenpenner, oder?«), aber ich denke nachher noch ewig und drei Tage darüber nach, welchen Eindruck ich wohl auf ihn gemacht habe.
Ich meine, er ist verheiratet, was schon beängstigend ist, und er hat die Sorte Autoschlüssel, mit denen man selbstbewußt klimpert, also hat er offensichtlich so was wie einen BMW oder ein Batmobil oder sonst einen tollen Schlitten, und er macht eine Arbeit, für die man einen Anzug braucht, und für mein ungeschultes Auge sieht er nach einem teuren Anzug aus. Ich bin heute etwas schicker als sonst – ich habe meine halbwegs neuen schwarzen Jeans an statt meiner uralten blauen, und ich trage ein langärmliges Polohemd, das ich sogar gebügelt habe – aber selbst so bin ich unübersehbar kein erwachsener Mann in einem erwachsenen Beruf. Will ich sein wie er? Nein, eigentlich nicht, glaube ich. Aber ich ertappe mich dabei, mir schon wieder den Kopf über Popmusik zu zerbrechen, ob ich sie mag, weil ich unglücklich bin, oder ob ich unglücklich bin, weil ich sie mag. Es würde mir helfen zu wissen, ob dieser Kerl sie je ernstgenommen hat, ob er je dagesessen hat, umgeben von Abertausenden Songs über … über (sag es, Mann, sag's schon) … na ja, über die Liebe. Ich würde sagen, hat er nicht. Ich würde sagen, auch Douglas Hurd hat das nicht, und der Typ bei der Bank von England auch nicht; und schon gar nicht David Owen › Anmerkung oder Nicholas Witchell › Anmerkung oder Kate Adie › Anmerkung oder tonnenweise andere berühmte Leute, die ich wahrscheinlich aufzählen können müßte, was ich aber nicht kann, weil sie nie bei Booker T. and the MGs mitgespielt haben. Diese Leute sehen aus, als hätten sie nie die Zeit gehabt, sich die erste Seite von Al Green's Greatest Hits anzuhören, ganz zu schweigen von seinen ganzen anderen Sachen (allein auf dem Hi-Label zehn LPs, auch wenn nur neun davon von Willie Mitchell produziert sind); sie sind zu sehr damit beschäftigt, Dispokredite zu bewilligen oder im ehemaligen Jugoslawien Frieden zu stiften, um sich »Sha La La (Make Me Happy)« anzuhören.
Also könnten sie mich wahrscheinlich in die Tasche stecken, wenn es um allgemein anerkannte Vorstellungen von Ernsthaftigkeit geht (obwohl jeder weiß, daß Al Green Explores Your Mind so bitterernst ist, wie man sich das Leben nur wünschen kann), aber ich sollte die Nase vorn haben, wenn es um Herzensdinge geht. »Kate«, sollte ich sagen können, »es ist ja schön und gut, in Krisengebieten herumzuzischen. Aber was willst du in der einzigen Sache tun, auf die es wirklich ankommt? Du weißt , wovon ich rede, Baby.« Und dann könnte ich ihr die ganzen emotionalen Ratschläge geben, die ich auf dem College
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