High Fidelity (German Edition)
immer noch seinen Zweck.«
»Das nächste Mal. Glaubst du, es wird ein nächstes Mal geben?«
»Hör auf, Rob. Stell dich nicht so an. Und gerade hast du drei Fragen gestellt, um meine eine bloß nicht beantworten zu müssen.«
»Und wie ging deine eine?«
»Ha, ha. Männer wie dich habe ich schon in Doris-Day-Filmen gesehen, aber ich hätte nicht gedacht, daß sie im wirklichen Leben existieren.« Sie macht eine dümmliche, tiefe, amerikanische Stimme. »Die Männer, die's nicht zugeben können, die nicht ›Ich liebe dich‹ sagen können, selbst wenn sie es möchten, die anfangen zu husten und zu stammeln und das Thema wechseln. Und jetzt du. Der lebende, atmende Prototyp. Unglaublich.«
Ich kenne die Filme, von denen sie redet, und sie sind dumm. Diese Männer existieren nicht. »Ich liebe dich« sagen ist so einfach, wie Rotz von der Backe wischen, und mehr oder weniger jeder Mann, den ich kenne, macht es dauernd. Ich habe ein paarmal so getan, als sei ich nicht fähig gewesen, es zu sagen, obwohl ich nicht genau weiß, wieso. Vielleicht, weil ich dem Moment so eine Art spießige Doris-Day-Romantik verleihen wollte, ihn denkwürdiger machen wollte, als er sonst gewesen wäre. Wißt ihr, man ist mit einer zusammen, und man fängt an, was zu sagen, und dann stockt man, und sie sagt: »Was?«, und man sagt »Ach, nichts«, und sie sagt: »Bitte sag es«, und man sagt: »Nein, es wird sich blöd anhören«, und dann bringt sie einen dazu, es auszuspucken, obwohl man es eh die ganze Zeit zu sagen vorhatte, und sie glaubt, es sei um so wertvoller, weil schwer errungen. Vielleicht weiß sie die ganze Zeit, daß man nur Schau gemacht hat, aber das macht ihr nichts aus. Es ist wie ein Zitat: Unsereins kommt dem Leinwandhelden nie näher als in diesen paar Tagen, wenn man beschließt, eine so zu mögen, daß man ihr sagt, ich liebe dich, und den Moment will man sich nicht durch einen Schuß sturer, freimütiger, grundvernünftiger Ehrlichkeit verpatzen.
Aber das werde ich Liz nicht auf die Nase binden. Ich werde ihr nicht verraten, daß das alles eine Methode ist, wieder die Oberhand zu gewinnen, daß ich nicht weiß, ob ich Laura liebe oder nicht, das aber nie rausfinden werde, solange sie mit einem anderen zusammenlebt; ich lasse Liz lieber in dem Glauben, ich sei eins von diesen analen, maulfaulen, devoten Abziehbildern, denen irgendwann die Augen aufgehen. Ich denke mal, das wird mir auf lange Sicht nicht schaden.
I ch fange vorne an, mit Alison. Ich bitte meine Mum, ihre Eltern im örtlichen Telefonbuch nachzuschlagen, und von da an übernehme ich.
»Ist da Mrs. Ashworth?«
»Am Apparat.« Mrs. Ashworth und ich wurden einander nie vorgestellt. Während Alisons und meiner sechsstündigen Beziehung waren wir nicht bis zum Elternkennenlernen gekommen.
»Ich bin ein alter Freund von Alison, und ich würde mich gerne mal wieder bei ihr melden.«
»Sie wollen ihre Adresse in Australien?«
»Wenn … sie da lebt, ja.« Ich werde Alison nicht so bald verzeihen. De facto werde ich Wochen dafür brauchen: Wochen, bis ich mich durchringe, einen Brief zu schreiben, Wochen bis zu einer Antwort.
Sie gibt mir die Adresse ihrer Tochter, und ich frage, was Alison am anderen Ende der Welt treibt. Wie sich herausstellt, ist sie mit einem aus dem Baugeschäft verheiratet, und sie ist Krankenschwester, und sie haben zwei Kinder, beides Mädchen, und blablabla. Ich verkneife mir die Frage, ob sie mich überhaupt mal erwähnt hat. Auch meine Egozentrik kennt Grenzen. Und dann frage ich nach David, und er arbeitet in London für eine Wirtschaftsprüferfirma, und er ist verheiratet, und er hat auch zwei Mädchen, und bringt denn keiner in der Familie Jungs zustande? Selbst Alisons Cousine hat gerade ein Mädchen bekommen! Ich äußere an den passenden Stellen Unglauben.
»Woher kennen Sie Alison?«
»Ich war ihr erster Freund.«
Darauf erst mal Stille, und einen Moment lang fürchte ich, daß ich in den letzten zwanzig Jahren im Haushalt der Ashworths irgendeines Sexualverbrechens verantwortlich gemacht wurde, das ich nicht begangen habe.
»Sie hat ihren ersten Freund geheiratet. Kevin. Sie ist Alison Bannister.«
Sie hat Kevin Bannister geheiratet. Ich wurde von Mächten verdrängt, auf die ich keinen Einfluß hatte. Das ist sagenhaft. Welche Chance hatte ich gegen Kismet? Nicht die geringste Chance. Es hatte mit mir oder irgendwelchen Verfehlungen meinerseits nichts zu tun, und ich spüre, wie die Alison-Ashworth-Wunde
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