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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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würde einem den Glauben an die Menschheit zurückgeben.«
ER:
»Hier ist Ian. Ray.«
ICH:
»Verpiss dich.« (Knallt Hörer auf.)

    Na, wenn schon.
    Nichts, wenn schon. Ich hätte jede einzelne dieser Sachen sagen sollen. Ich hätte wenigstens eine Obszönität einbauen sollen. Ich hätte ihm auf jeden Fall Gewalt androhen sollen. Ich hätte nicht mit einem »Weiß nich« auflegen sollen. Diese Dinge werden an mir nagen und nagen, und ich werde tot umfallen an Krebs oder Herzversagen oder sonstwas. Und ich zittre und zittre, und ich schreibe das Script in Gedanken um, bis es 100 Prozent pures Gift ist, und es hilft alles nichts.

S arah schickt mir immer noch Weihnachtskarten mit ihrer Adresse und Telefonnummer drauf. (Sie schreibt sie nicht hin: Sie verwendet diese popeligen kleinen Aufkleber.) Weiter steht nie was drauf, außer »Fröhliche Weihnachten! Alles Liebe, Sarah«, in ihrer großen runden Lehrerinnenschrift. Ich schicke ihr ähnlich nichtssagende Karten zurück. Vor ein paar Jahren war mir aufgefallen, daß sich die Adresse geändert hatte; mir war auch aufgefallen, daß aus einem ganze Zahl, Soundsostraße eine Nummer mit einem Buchstaben dahinter geworden war, und nicht mal ein »b«, was immer noch ein Haus bezeichnen könnte, sondern ein »c« oder »d«, was nur eine Etagenwohnung bezeichnen kann. Damals habe ich mir nicht viel dabei gedacht, aber jetzt kommt es mir leicht verdächtig vor. Für mich läßt sich da herauslesen, daß ganze Zahl, Soundsostraße Tom gehörte, und daß Tom nicht mehr angesagt ist. Selbstgefällig? Ich?
    Sie sieht aus wie früher – ein wenig dünner vielleicht (Penny war wesentlich fetter, aber sie hat schließlich auch ihr Alter verdoppelt, seit ich sie zuletzt gesehen habe. Sarah ist nur von Dreißig auf Fünfunddreißig vorgerückt, was nicht die fettmachendste Reise des Lebens ist), aber ihr fällt immer noch der Pony über die Augen. Wir gehen eine Pizza essen, und es ist deprimierend, welch große Sache das für sie ist: nicht der Akt des Pizzaessens an sich, sondern der Rendezvous-Charakter des Abends. Tom hat sich verabschiedet, und auch noch auf ziemlich spektakuläre Weise. Muß man sich vorstellen: Er sagte ihr nicht etwa, er sei unglücklich in der Beziehung, oder er habe eine andere kennengelernt, mit der er gern zusammen wäre, noch, er sei mit einer anderen zusammen, nein – er würde eine andere heiraten. Klassisch, wie? Es ist wirklich zum Lachen, aber ich kann es mir verkneifen. Es ist eine von diesen tragischen Geschichten, bei der die Opfer zum Schaden auch noch den Spott haben, also schüttle ich statt dessen den Kopf ob der grausamen Mysterien des Universums.
    Sie sieht ihren Wein an. »Ich kann gar nicht glauben, daß ich dich seinetwegen verlassen habe«, sagt sie. »Verrückt.« Ich will das nicht hören. Ich will nicht, daß sie die Zurückweisung zurücknimmt, ich will sie von ihr erklärt haben, damit ich ihr Absolution erteilen kann.
    Ich zucke die Achseln. »Kam dir damals vielleicht vernünftig vor.«
    »Wahrscheinlich. Aber ich kann mich nicht erinnern, warum.«
    Hier ist Sex für mich drin, und die Aussicht mißfällt mir nicht. Gibt es einen besseren Weg, die Dämonen der Zurückweisung auszutreiben, als den Menschen zu bumsen, der einen zurückgewiesen hat? Aber hier hieße das nicht einfach mit einem Menschen schlafen: Hier würde man mit einer kompletten traurigen Singlekultur schlafen. Wenn wir zu ihr gingen, wäre eine Katze da, und die Katze würde im entscheidenden Moment aufs Bett springen, und wir müßten unterbrechen, bis Sarah sie rausgescheucht und in die Küche gesperrt hätte. Und wahrscheinlich würden wir uns ihre Eurythmics-Platten anhören müssen, und es wäre nichts zu trinken im Haus. Und es wäre auch nichts mit Marie LaSalleschem, achselzuckendem »Frauen werden auch mal geil«; nein, es gäbe Telefonanrufe und Peinlichkeit und Bedauern. Also werde ich nicht mit Sarah schlafen, es sei denn, mir wird im Laufe des Abends irgendwann klar, daß es für den Rest meines Lebens sie oder gar nichts gibt, und ich kann keine derartige Vision heute abend auf mich zukommen sehen: So kam es ja überhaupt, daß wir nicht mehr miteinander gegangen sind. Darum hat sie mich wegen Tom verlassen. Sie hat einen Kostenvoranschlag gemacht, die Chancen ausgerechnet, solide auf den Favoriten im Rennen gesetzt und ist gegangen. Daß sie einen zweiten Anlauf machen will, sagt mehr über mich – und über sie –, als Geld je könnte: Sie

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