High Fidelity (German Edition)
…«
»Jung?«
»Na ja, ja, jung, selbstverständlich« – sie lacht nervös, als sei ich ein Idiot, was ich vielleicht bin, aber nicht auf die Art, wie sie denkt – »aber vor allem zu … ich weiß nicht, ich glaube, zeitintensiv ist der Ausdruck, den ich suche.«
Nichts davon habe ich mir ausgedacht. Sie redet wirklich, als hätte in der gesamten Geschichte der Welt noch keiner so ein Gespräch geführt.
»Ach so ist das. Ich verstehe, was du meinst.«
Gerade habe ich Charlie verarscht. Charlie! Charlie Nicholson! Das ist sonderbar. An den meisten Tagen in den letzten zwölf Jahren habe ich an Charlie gedacht und ihr, oder unserer Trennung zumindest, fast alles angelastet, was mir seither schiefgegangen ist. Wie: Ich hätte das College nicht abgebrochen; ich hätte nicht angefangen, bei Record and Tape zu arbeiten; ich wäre nicht an diesen Laden gefesselt; ich hätte kein unbefriedigendes Privatleben gehabt. Das ist die Frau, die mir das Herz gebrochen, mein Leben zerstört hat, diese Frau ganz allein ist schuld an meiner Armut und Ziellosigkeit und Erfolglosigkeit, die Frau, von der ich gute fünf Jahre regelmäßig geträumt habe, und ich nehme sie auf den Arm. Ich muß mich wirklich selbst bewundern. Ich muß vor mir selbst den Hut ziehen und zu mir sagen: »Rob, du bist schon ein cooler Hund.«
»Na, jedenfalls, bist du dabei oder nicht, Rob?«
»Wie bitte?« Es ist beruhigend zu hören, daß sie noch immer Sachen sagt, die nur sie verstehen kann. Früher mochte ich das, und ich beneidete sie darum, mir ist nie etwas eingefallen, das im entferntesten kryptisch klang.
»Nein, tut mir leid. Es ist nur … ich finde diese Anrufe von längst vergessenen Boyfriends ziemlich nervend. In letzter Zeit hat es eine Flut davon gegeben. Erinnerst du dich an diesen Marco, mit dem ich nach dir gegangen bin?«
»Mhm, ja, glaub' schon.« Ich weiß, was jetzt kommt, und ich glaube es nicht. Die ganzen quälenden Vorstellungen, die Heirat und die Kinder, lange Jahre lang, und sie hat ihn wahrscheinlich sechs Monate, nachdem ich sie zuletzt gesehen habe, abserviert.
»Na ja, er hat vor ein paar Monaten angerufen, und ich wußte wirklich nicht, was ich mit ihm reden sollte. Ich glaube, er war gerade mitten in so einer Welchen-tieferen-Sinn-hat-das-alles-Phase, und er wollte mich sehen und über alles mögliche reden, und was soll ich sagen, ich war nicht gerade scharf drauf. Machen das alle Männer durch?«
»Hab' ich bis jetzt noch nie gehört.«
»Dann nur die, die ich mir aussuche. Ich meinte nicht …«
»Nein, nein, schon in Ordnung. Es muß ein bißchen komisch wirken, daß ich aus heiterem Himmel anrufe. Ich dachte nur, du weißt schon …« Ich weiß gar nichts, also sehe ich nicht ein, warum sie es sollte. »Aber was heißt ›Bist du dabei oder nicht?‹«
»Das heißt, ich weiß nicht, sind wir gut Freund oder nicht? Weil, wenn wir's sind, wunderbar, und wenn nicht, hat es keinen Zweck, hier am Telefon rumzumachen. Willst du am Samstag zum Dinner kommen? Ich habe ein paar Freunde eingeladen und brauche einen Mann, der solo kommt. Bist du solo?«
»Ich …« Ach, was soll's. »Ja, im Moment.«
»Also, bist du dabei oder nicht?«
»Ich bin dabei.«
»Gut. Meine Freundin Clara kommt, und sie hat keinen Typ, und sie ist ganz deine Straßenseite. So gegen acht?«
Und das war's. Jetzt kann ich meinen Finger drauflegen, was hier faul ist: Charlie ist unmöglich. Früher war sie nicht unmöglich, aber irgendwas ist mit ihr passiert, und sie sagt schreckliche, dumme Sachen und hat keinerlei erkennbaren Sinn für Humor. Was würde Bruce Springsteen mit Charlie anfangen?
Ich erzähle Liz, daß Ian mich angerufen hat, und sie sagt, es sei nicht zu fassen, und daß Laura entsetzt sein wird, was mich ohne Ende aufheitert. Und ich erzähle ihr von Alison und Penny und Sarah und Jackie, und über das blöde, kleine Leuchtstiftding, und über Charlie und wie sie erzählt hat, daß sie gerade von einer Geschäftsreise in die Staaten zurück ist, und Liz sagt mir, daß sie gerade geschäftlich in die Staaten will, und ich mache einige amüsante, satirische Bemerkungen auf ihre Kosten, aber sie lacht nicht.
»Wie kommt es, daß du Frauen haßt, die bessere Jobs haben als du, Rob?«
So ist sie manchmal, diese Liz. Sie ist in Ordnung, aber, ihr kennt das, sie ist eine von diesen paranoiden Feministinnen, die in allem, was man sagt, etwas Böses sehen.
»Was hast du denn jetzt wieder?«
»Du haßt diese Frau, die
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