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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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nähergestanden hätten? Er war mein Quasi-Schwiegervater, und wir waren sehr verschieden, und er war krank, und … wir standen uns so nahe, wie es nötig war. Es wird von einem erwartet, Dinge zu wünschen, wenn Menschen sterben, sich mit Bedauern aufzuladen, sich für all seine Fehler und Unterlassungen zu strafen, und das alles tue ich, so gut ich kann. Nur daß ich keine Fehler und Unterlassungen finden kann. Er war der Dad meiner Exfreundin, versteht ihr. Was soll ich da empfinden?
    »Bist du in Ordnung?« fragt Barry, als er mich ins Leere starren sieht. »Mit wem hast du gesprochen?«
    »Laura. Ihr Dad ist gestorben.«
    »Oh, aha. Dumme Sache.« Und dann schlendert er ab zur Post, einen Stapel Mailorders unterm Arm. Seht ihr? Von Laura, zu mir, zu Barry: von Leid zu Verwirrung, zu flüchtigem, mildem Interesse. Wenn man nach einem Weg sucht, dem Tod seinen Stachel zu ziehen, ist Barry der richtige Mann. Einen Moment lang wirkt es seltsam, daß diese beiden Menschen, von denen einer so verrückt vor Schmerz ist, daß er kaum sprechen kann, und der andere, dem es kaum ein Achselzucken wert ist, sich kennen sollen. Seltsam, daß ich das Bindeglied zwischen ihnen bin, seltsam, daß sie am selben Ort leben, zur selben Zeit auch noch. Aber Ken war der Dad der Exfreundin von Barrys Boss. Was soll er da fühlen?

    Laura ruft etwa eine Stunde später zurück. Ich hatte nicht erwartet, daß sie es tun würde.
    »Tut mir leid«, sagt sie. Es ist noch immer schwer zu verstehen, was sie sagt, bei dem Rotz und den Tränen und dem Tonfall und der Flüsterstimme.
    »Nein, nein.«
    Dann weint sie eine Weile. Ich sage nichts, bis sie etwas ruhiger ist.
    »Wann fährst du nach Hause?«
    »In ein paar Minuten. Wenn ich mich zusammengerissen habe.«
    »Kann ich irgendwas tun?«
    »Nein.« Und dann, nach einem Schluchzer wieder: »Nein«, als hätte sie eben erst richtig erkannt, daß es nichts gibt, was irgendwer für sie tun kann, und vielleicht ist es das erstemal, daß sie sich in dieser Lage befindet. Ich weiß, daß ich es nie war. Alles, was bei mir je schiefgegangen ist, hätte sich durch einen Wink mit dem Zauberstab meines Bankfilialleiters retten lassen oder durch einen Meinungsumschwung bei einer meiner Freundinnen oder durch irgendeine Qualität – Zielstrebigkeit, Selbsterkenntnis, Elan –, die ich in mir selbst hätte finden können, wenn ich ernsthaft genug gesucht hätte. Ich will nicht mit der Art von Unglück fertig werden müssen, das Laura gerade empfindet, niemals. Wenn Leute sterben, sollen sie nicht in meiner Nähe sterben. Meine Mum und mein Dad werden nicht in meiner Nähe sterben, dafür habe ich gründlich vorgesorgt. Wenn sie sterben, wird es mich wahrscheinlich kaltlassen.

    Am nächsten Tag ruft sie wieder an.
    »Mum möchte, daß du zur Beerdigung kommst.«
    »Ich?«
    »Mein Dad mochte dich. Anscheinend. Und Mum hat ihm nie gesagt, daß wir auseinander sind, weil er nicht in der Verfassung dafür war, und … Oh, ich weiß nicht. Ich verstehe es nicht richtig, und ich kann mich jetzt nicht deswegen streiten. Ich glaube, sie glaubt, er kann sehen, was vor sich geht. Es ist, als ob …« Sie macht ein komisches Geräusch, das ich als überspanntes Kichern identifiziere. »Ihre Haltung ist, daß er soviel durchgemacht hat, mit Sterben und allem, daß sie ihn nicht mehr belasten will als nötig.«
    Ich wußte, daß Ken mich mochte, aber ich bin nie richtig dahintergekommen, warum, außer daß er mal die Originalaufnahme der My-Fair-Lady-Inszenierung mit dem Londoner Ensemble suchte, und ich eine Kopie in einem Plattenladen sah und sie ihm schickte. Seht ihr, wohin einen willkürliche Akte der Freundlichkeit führen? Auf Scheißbeerdigungen, dahin.
    »Willst du mich da haben?«
    »Ist mir egal. Solange du nicht von mir erwartest, deine Hand zu halten.«
    »Geht Ray hin?«
    »Nein, Ray geht nicht hin.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er nicht eingeladen wurde, okay?«
    »Mir macht es nichts, weißt du, wenn du es möchtest.«
    »Oh, wie süß von dir, Rob. Wo es doch dein großer Tag ist.«
    Jesus.
    »Hör zu, kommst du oder nicht?«
    »Ja, natürlich.«
    »Liz nimmt dich mit. Sie weiß wohin und all das.«
    »Gut. Wie fühlst du dich?«
    »Ich habe keine Zeit zum Plaudern, Rob. Ich hab' zuviel zu tun.«
    »Klar. Ich sehe dich am Freitag.« Ich lege den Hörer auf, ehe sie irgendwas sagen kann, um ihr zu verstehen zu geben, daß ich verletzt bin, und dann will ich zurückrufen und mich entschuldigen, aber

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