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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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würde. Ich war bis dahin nie von meinen Eltern getrennt gewesen. Ich hatte noch nicht einmal auswärts geschlafen. Aber ich hatte Lust.
    Wir fuhren also ins Zillertal, und die Eltern brachten mich auf die Kasseler Hütte, 2177 Meter hoch gelegen, sechs Stunden Gehzeit vom Parkplatz. Als wir oben waren, fragte mich meine Mutter noch einmal: »Bist sicher, David?«
    »Ja, Mama.«
    Dann gingen sie wieder ins Tal hinunter, und ich blieb oben auf der Hütte. Viele Kinder, nette Kinder, ältere Kinder, die sich sofort um mich kümmerten. Aber am interessantesten war der Klettergarten hinter der Hütte. Ein senkrechter Spielplatz, der mich magisch anzog. Ich bekam einen Helm und einen kombinierten Brust- und Hüftgurt, ich wurde von oben angeseilt und durfte klettern. Ausprobieren, wie es ist, den Boden zu verlassen und Schritt für Schritt nach oben zu steigen.
    Als meine Eltern am nächsten Tag bei Peter Habeler anriefen, um nachzufragen, ob mich nicht eh das große Heimweh gepackt hat, sagte er: »David hat nicht einmal nach euch gefragt. Aber kommt unbedingt einen oder zwei Tage früher auf die Hütte, ihr müsst euch anschauen, was euer Sohn für ein Gefühl für den Fels hat. Wie der am Fels steht, was der für einen Instinkt hat. So was habe ich bei einem Kind noch nie gesehen.«
    Peter hatte eine Riesengaudi mit mir. Er schärfte meinen Eltern ein, sie sollten mich unbedingt weiter klettern lassen. Ich hätte wirklich Talent.
    Aber das war gar nicht so einfach. Sportklettern steckte Mitte der neunziger Jahre noch in den Kinderschuhen. Es gab kaum Kletterhallen, in Innsbruck hatte nur die Halle des Innsbrucker Turnvereins eine kleine Kletterwand. Das war alles. Meine Mutter hatte überall herumtelefoniert, Sportverein, Alpenverein, aber es gab nirgends einen Ort, wo Kinder Klettern lernen konnten.
    Durch Zufall erfuhr meine Mutter, dass ein gewisser Scherer Reinhold, ein Osttiroler Sportstudent, privat mit einer Gruppe von Kindern kletterte, einmal pro Woche in der Halle des ITV. Zu Hause habe er im Keller eine Boulderwand, dort kraxelten sie auch. Meine Mutter besorgte sich die Telefonnummer, rief den Reini an und fragte, ob ich mich der Gruppe anschließen dürfe. Dann folgte zum ersten Mal der Dialog, der sich in den nächsten Jahren immer und immer wieder wiederholen würde.
    »Wie alt ist denn der David?«
    »Sechs.«
    »Das ist zu jung.«
    Es kostete meine Mutter einige Überredungskraft, bis der Reini endlich die Antwort gab, die sie hören wollte: »Okay, kommt in der ITV-Halle vorbei. Ich schau mir den Buben an.«
    Es war an einem Mittwoch. Und als meine Mutter mich nach zwei Stunden in der Halle wieder abholte, hatte Reini Scherer schon sein berühmtes breites Grinsen im Gesicht: »Kein Thema. Ich nehm den David sofort.«

Vier
    Die Gruppe bestand damals aus zehn, fünfzehn Kindern, und von heute aus betrachtet muss man sagen, dass viele der derzeitigen Weltcup-Kletterer Österreichs hier angefangen haben. Alle tanzten nach der Pfeife vom Scherer Reini: Anna Stöhr, die Saurwein-Schwestern Katharina und Franziska, mein Freund Daniel Steuerer.
    Wir waren wie junge Hunde. Mit dem einzigen Unterschied, dass Hunde nicht so gut klettern können wie wir. Wir hatten Spaß und suchten Herausforderungen, weil wir Spaß hatten. Und weil die Herausforderungen noch mehr Spaß brachten, wurden wir in einem Höllentempo besser.
    Ich war nicht nur der Jüngste der Gruppe, sondern auch der Kleinste. Deshalb nannten mich die anderen »Fuzzy«. Meine Kletterschuhe waren mit »Fuzzy« angeschrieben. Fuzzy. Der Spitzname ist mir bis heute geblieben.
    Reinis Klettergruppe war für mich mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Die zufällig zusammengewürfelten Kletterkinder waren meine Trainingspartner, meine Konkurrenten, vor allem aber: meine Freunde. Ich hatte auch Freunde in der Volksschule in Axams, aber in Reinis Gruppe war das etwas anderes. Da hatten wir, auch wenn wir Kinder waren, gemeinsame Ziele – eine Linie zu klettern, für die wir gestern noch nicht genug Schmalz gehabt hatten; einen Zug zu lernen, den wir noch nicht beherrschten. Ich weiß nicht, ob ich der Einzige war, der sich schon damals vornahm, unbeeindruckt vom praktischen Denken der Erwachsenen, niemals etwas anderes machen zu wollen als Klettern. Das hatte ich mit erstaunlicher Deutlichkeit vor Augen: Klettern war meine Gegenwart, aber vor allem: meine Zukunft.
    Meine Eltern hatten schnell begriffen, dass Klettern für mich etwas ganz Besonderes war,

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