Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
Vom Netzwerk:
siebzehn Mal auf die Matte geknallt war, hatte ich einen Bonus. Die Boulder lagen mir gut. Alles passte.
    Ich gewann den Weltcup, Kili wurde Dritter. Ich war happy. 2000 Menschen feierten, ich feierte mit ihnen. Es war ein echtes Glücksgefühl, das Gefühl, etwas geschenkt zu bekommen nach dem zähen Beginn.
    Ein Woche später wurde ich in Jekaterinburg Europameister. Meine erste Saison bei den Großen ließ sich wirklich gut an.
    Europameister hörte sich gut an.
    Jüngster Weltcupsieger der Geschichte hörte sich gut an.
    Aber das war es auch schon, ich bin kein Statistiker. Ich holte einfach, egal wie alt ich gerade war, das Maximum aus mir heraus, und ich hatte nie das Gefühl, Reserven gegenüber meinen Konkurrenten zu haben, bloß weil ich jünger war als sie. Andere sahen das natürlich anders, und wenn in den Klettermedien die Artikel über mich erschienen, sparten die Verfasser nicht mit Superlativen. Aber an mir selbst gingen diese Superlative fast spurlos vorbei. Sie erreichten mich nicht. Vor allem setzten sie mich nicht unter Druck. Okay, eine Zeit lang war es jetzt so gewesen, dass ich als junger Kletterer einen Siegeszug bis in die höchste Leistungsklasse angetreten hatte, aber dadurch fühlte ich mich nicht verpflichtet, ständig neue Sensationen in der Wand zu liefern. Ich wollte mir meine Herausforderungen selbst aussuchen und von niemandem diktieren lassen, schon gar nicht von einer vermeintlichen Medienwirksamkeit.
    Ich wollte vom Klettern leben können, und ich hatte begriffen, dass sich die Medien dafür interessieren würden. Es war meine Standardantwort, wenn ich dieser Tage gefragt wurde, was ich denn einmal für einen Beruf haben wolle: »Kletterer«.
    Und wenn es mit dem Klettern nicht funktioniert?
    »Funktioniert eh schon längst.«

Zehn
    Als ich nach den ersten drei Bewerben im Gesamtweltcup führte, traf ich Trenki wieder. Der Chef des Red-Bull-Athletenprogramms war ausgesprochen happy. Er dachte natürlich, dass ich nichts anderes im Kopf haben würde als den nächsten und den übernächsten Weltcup, aber so war das nicht. Ich hatte nämlich geplant, im Sommer keine Weltcups zu klettern und stattdessen nach Yosemite zu fahren. So war das mit Daniel und meinen Eltern ausgemacht, und ich hatte keine Lust, mich von diesem Plan abbringen zu lassen.
    Yosemite hatten wir um meinen 15. Geburtstag herum beschlossen. Ich hatte einen Schlüsselanhänger geschenkt bekommen, der aussah wie ein Klemmkeil, ein Instrument, das man als Sicherung in Risse legen kann. Super Spielzeug. Als ich mit Daniel in den Klettergarten nach Niederthai ins Ötztal fuhr, eines meines liebsten Klettergebiete, blödelte Daniel in der Mitte einer Route herum: »Probieren wir doch einmal aus, was der Schlüsselanhänger aushält.«
    Er steckte den Miniatur-Klemmkeil in einen Riss, hängte das Seil ein und begann zu testen. Halbes Gewicht, ganzes Gewicht, ganzes Gewicht mit ein bisschen Wippen und Zerren, und am Schluss rief ich zu Daniel hinauf: »Traust dich?«
    Also sprang Daniel mit vollem Gewicht ins Seil, aber dem Schlüsselanhänger war das wurscht. Er hielt.
    Daraufhin gingen wir am nächsten Tag sofort in den Laden, der die Schlüsselanhänger verkaufte und besorgten uns jeder 15 Stück. So billig habe ich nie mehr gutes Kletter-Equipment eingekauft. Wir gingen dann an die Martinswand bei Zirl, in der Nähe von Innsbruck, und kletterten dort eine Route, bei der wir irgendwann nur mehr mit den billigen Keilen unterwegs waren. Nur an den schwierigsten Stellen hängten wir zur Sicherheit doch noch einen Bohrhaken ein. Wir waren von Beginn an seriöse Alpinisten.
    Als Daniel plötzlich von den »Big Walls« Amerikas zu sprechen begann, weil uns die alpinen Mehrseillängen mehr und mehr Spaß machten, glänzten seine Augen, als hätte er eine Glückstablette geschluckt. Ich hatte selbst Bücher über die Wände des Yosemite-Nationalparks in Kalifornien zu Hause, und wenn es regnete, kugelte ich auf dem Teppich herum und ging Seite für Seite der schönen Bildbände durch. Auf den Fotos identifizierte ich mögliche Routen, Risse oder Spalten, auf denen man die gewaltigen Wände des Yosemite Valley durchsteigen könnte. Wie andere Buben Fußballbilder sammelten und in ihre Alben einklebten, dachten Daniel und ich uns Projekte aus. Den El Capitan nahmen wir uns vor, und den Lost Arrow Spire.
    Zu Weihnachten brachte das Christkind meinen Eltern Flugtickets nach San Francisco. Auch für mich und Daniel war eins dabei.

Weitere Kostenlose Bücher