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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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Von San Francisco sind es nur mehr fünf Stunden mit dem Auto ins Yosemite Valley.
    Ich hatte vor, drei Weltcups wegen Yosemite ausfallen zu lassen, aber Trenki wollte, dass ich die Weltcups mache und Yosemite schmeiße. Die Regeln im Weltcup sahen in diesem Jahr nämlich vor, dass jeder Athlet die zwei schlechtesten Resultate streichen durfte: Diese Punkte wurden nicht in die Wertung genommen. Als Trenki merkte, dass ich auf Yosemite sicher nicht verzichten würde, handelte er mir als alter Fuchs, der die Weltcupgesamtwertung im Auge hat, wenigstens einen der drei Weltcups ab, die ich wegen Kalifornien versäumt hätte. Ich stimmte zu, Anfang August von Yosemite nach Singapur zu reisen und dort an den Start zu gehen.
    Yosemite war großartig.
    Es war heiß, es roch nach Fichtennadeln, und die Felsen waren von einer so enormen Schönheit, dass ich die ersten zwei Tage den Mund überhaupt nicht zubrachte. Zum Beispiel begriff ich, warum »Big Walls« »Big Walls« heißen: weil sie so groß sind, dass du dir unten »very small« vorkommst.
    Daniel und ich kletterten und kletterten. Wir probierten alle möglichen Techniken aus. Wir lernten, Risse zu klettern, und begriffen schnell, dass man sich dabei besser die Hände taped. Rissklettern erfordert eine spezielle Technik. Man fährt mit den Händen ständig in die Risse hinein, und wenn man 500 Meter geklettert ist, hat man ohne Tape Handrücken, die so blutig sind wie ein rohes Steak.
    Die Hitze ist im Yosemite kein Freund. Sie verwandelt alle Wände, die in der prallen Sonne liegen, in Hitzeschilder. Genauso gut könnte man versuchen, auf eingeschalteten Herdplatten zu klettern. Kein ernsthafter Kletterer geht im Sommer nach Yosemite, aber für uns war’s die einzige Chance: Wir hatten Sommerferien. Jetzt. Wenn es in Kalifornien gut zum Klettern ging, im späten Herbst, mussten wir im Geografieunterricht gut aufpassen, um zu lernen, wo Kalifornien liegt.
    Wir konnten fast nur Wände klettern, die im Schatten lagen, und stiegen mit der Entschlossenheit der Yosemite-Debütanten in Nord-, Ost- und Westwände ein. Wir kletterten und kletterten, es war genial. Wir hatten uns keine besonderen Heldentaten vorgenommen, probierten aber auf der Route »West Face« am Leaning Tower, einige Seillängen frei zu klettern. Die ersten beiden gehen beim besten Willen nicht frei, den Rest kletterten wir ohne Probleme. Wir kletterten »Alien« auf dem Rostrum on sight, das war ein Spaß. Genial.
    Abends lernte ich noch etwas für den Biologieunterricht: Eichhörnchen haben Zähne. Wir hatten mit einer Kartonschachtel ein Squirrel gefangen, das ging total einfach, und jetzt wollte ich das Tier aus der Schachtel herausholen. Ich hatte mir extra den Big-Wall-Handschuh angezogen, ein Stück unserer Spezialausrüstung, den man braucht, um sich beim Nachhaulen des Materials auf den langen Routen keine Blasen zu holen. Der Big-Wall-Handschuh hat offene Fingerkuppen, damit man die Karabiner gut bedienen kann, und jetzt lernte auch das Eichhörnchen etwas: Am besten beißt man den Deppen, der einen gefangen hat, in die Fingerkuppe, wenn er in die Schachtel greift.
    Ich erschrak dermaßen über den entschlossenen Biss des Eichhörnchens, dass ich die Hand wie eine Schleuder zurückzog, und darüber erschrak das Eichhörnchen. Es ließ den Finger los und segelte wie ein Ufo davon. Ich sah noch, wie es nach einer harten Landung in den Wald abhaute. Interessanter Tierversuch: Schon wieder etwas für den Biologie-Unterricht mitgenommen: Manche Eichhörnchen können also fliegen.
    In diesem Sommer reiste ich buchstäblich um die Welt. Zuerst waren wir von München nach Madrid, von Madrid nach Chicago, von Chicago nach San Francisco geflogen, von dort in den Yosemite-Nationalpark. Dann musste ich für den nächsten Weltcup nach Singapur, also zurück nach San Francisco, von dort über Tokio nach Hongkong, von dort nach Singapur. Ich verpasste die Qualifikation fürs Finale knapp und wurde nur Neunter.
    Ich tröstete mich, indem ich mit Cédric Lachat im Hotel herumhing. Cédric hatte am Swimmingpool den Kescher abgezweigt, mit dem der Hausmeister den Schmutz aus dem Pool fischen musste und brachte ihn mir ins Zimmer im zweiten Stock. Von dort seilten wir uns am Feuerwehrschlauch in den Innenhof des Hotels ab, wo in der Mitte ein Teich angelegt war, in dem sich große, fette Zierkarpfen tummelten. Wir wollten fischen. Wir dachten, dass die schönen Karpfen im Swimmingpool viel besser zur Geltung

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