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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lama
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Linien auschecken, Griffe putzen. Felsen in Kletterlandschaften verwandeln.
    Wir hingen in unseren Gurten an den Bögen der Höhlen, in die wir neue Linien einrichteten, die Bohrmaschine um die Schulter gehängt, und wenn wir abends aufhörten zu arbeiten, hatten wir jede Menge Blutergüsse und Schürfwunden. Aber es zahlte sich aus. Wir bohrten Routen in den Fels, die so schön und elegant waren, dass mir das Herz höher schlug.
    Eine meiner Routen hieß »Bellybuttonwindow«. Sie ist seither unendlich oft fotografiert worden. Sie führt die Krümmung einer Grotte bis nach oben, wo in der Mitte ein riesiger Felszapfen von der Decke hängt, den man überklettern muss. Genial. Wunderschön – und als Fotomotiv, von innen nach draußen fotografiert, unübertroffen.
    Die malaysischen Felsen sind aus Kalk. Sie sind leicht zu erreichen. In den riesigen Wänden befinden sich Höhlen, die miteinander verbunden sind, regelrechte Höhlensysteme. Man gelangte von einer Höhle in die andere, man konnte aus Höhlen heraus neue Routen klettern, in einer Höhle konnte man aber auch durch den ganzen Berg auf seine andere Seite gehen.
    Das Klettern, perfekt. Aber wir hatten auch Pflichten. Zum Beispiel mussten wir beim Kronprinzen antreten, der einen Narren an uns gefressen hatte, und weil das ein förmlicher Empfang war, bekamen wir traditionelle malaysische Kleider, um sie bei der Zeremonie zu tragen.
    Am lustigsten sah der Reini aus. Er hatte einen blassgrünen Seidensarong an und auf dem Kopf einen schwarzen Fes. Dazu war er wie immer dramatisch unrasiert, so dass er aussah wie einer von Ali Babas vierzig Räubern. Die Mädels hatten Glück, für sie waren keine Kopfbedeckungen vorgesehen, sie mussten nur luftige Seidenschals um den Hals tragen, die ihnen vielleicht sogar gefielen. Ich hatte ein helles, gelbes Seidengewand an, das bis zum Boden hinunterfiel und einen martialischen gefalteten Hut auf dem Kopf, ich sah aus wie aus einer Puppenspiel-Produktion. Außerdem hatte ich schlechte Laune, denn ich wäre, statt im Palast als Dekoration herumzustehen, lieber geklettert. Aber der Kronprinz wollte uns eine Freude machen, also machten wir gute Miene zum bösen Spiel.
    Soldaten standen stramm, als wir kamen. Ein Schlangenbeschwörer tanzte mit einer Kobra um die Wette. Berge von Essen wurden aufgetragen. Der Kronprinz erzählte uns, wie froh er sei, dass wir Malaysia auf die Weltkarte des Kletterns blablabla.
    Als wir wieder klettern durften, legten wir uns doppelt ins Zeug.
    Wir kamen aus Malaysia zurück, ich ging ein paar Tage in die Schule, dann hieß es schon wieder Abflug nach Birmingham. In Birmingham fanden die Boulder-Europameisterschaften statt, und obwohl ich mir für 2007 eine Lead-Saison vorgenommen hatte, passte uns der Wettkampf ganz gut in den Kram.
    Um Vorstieg, also Lead, zu trainieren, musst du auch bouldern. Bouldern ist das beste Maximalkrafttraining und bringt am meisten Abwechslung in den sonst etwas monotonen Trainingsalltag. Reini hatte gefunden: »Warum machst du nicht die EM in Birmingham? Passt doch gut zusammen. Wenn du was gewinnst, ist’s eine Sensation, und wenn du nix gewinnst, war’s eine Abwechslung im Training.«
    Okay, ich fuhr also nach England. Am Tag vor dem Wettkampf gingen wir noch am Fels klettern. Wir hatten im Hotel rumgeblödelt, und ich sagte, dass wir eigentlich noch ein paar Routen am Fels klettern könnten. Kilian, der Favorit für den Wettkampf, Jorg und ein Engländer, der sich auskannte und kein Problem damit hatte, ein Auto auf der falschen Straßenseite zu pilotieren, waren auch dabei. Wir schnappten uns ein Mietauto und fuhren in die Kletterlandschaft in der Nähe von Birmingham.
    Natürlich strengten wir uns nicht über Gebühr an, das wäre am Tag vor einem Wettkampf unseriös gewesen. Aber wir gingen ein, zwei Touren und fuhren dann wieder heim.
    Als tags darauf der Wettkampf begann, füllte mich die Sonne vom Vortag noch immer aus. Und ich traute meinen Augen nicht. Gleich in zwei Bouldern waren Risse, in denen man Handklemmer machen musste. Nichts anderes hatte ich im Yosemite Tag und Nacht trainiert. Ich wusste wie man Handklemmer macht. Während meine Konkurrenten zum Teil ratlos vor dem Problem standen und mit Pauken und Trompeten daran scheiterten, marschierte ich problemlos zum Topgriff.
    Mit diesem Joker in der Hand löste ich auch die anderen Probleme unbeschwert und leidenschaftlich, und noch bevor die Sonne unterging, war ich Europameister im Bouldern.

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