High - Genial unterwegs an Berg und Fels
ein Wesen, dem die Fama eines Wunderkinds vorauseilt, so hatte ich das Versprechen, als das ich gegolten hatte, nun eingelöst. Damit war die Frage, ob dieser Fuzzy aus Götzens die Wettkampfszene aufmischen kann, endlich beantwortet.
Ja, kann er.
Aber kann er auch Bier trinken?
Ja, kann er auch.
Dann ist ja gut.
Es war vielleicht das schönste Fest meines Lebens. Es war wie eine Initiationsfeier. Ich wurde förmlich in den Kreis der besten Wettkampfkletterer der Welt aufgenommen, und es war ein guter Zeitpunkt dafür: Die Mischung aus Wettkampfenergie und Lebensfreude stimmte genau. Die meisten Athleten legten genauso viel Wert auf die Freude, die das Klettern machte, wie auf die Platzierungen, die sie erreichten. Klar, es gab einzelne, die sich aus den Partys nichts machten und selbst die genialste Party für eine Trainingseinheit sausen ließen. Ihr Talent, meinten sie, bestünde eben darin, ohne Ende zu trainieren.
Auf den Weltcupstationen trafen sich spezielle Menschen, die sich freuten, andere spezielle Menschen zu treffen. Manche waren viel am Fels unterwegs, zum Beispiel der großartige Tscheche Tomás Mrázek. Ich hörte ihn ein bisschen klagen, wie schwierig es sei, das Klettern am Fels und eine super Performance in der Halle unter einen Hut zu bringen. Aber dieses Problem beschäftigte mich an diesem Abend nun gar nicht. Als wir in Puurs zur Musik von Aphex Twin darüber redeten, wusste ich noch nicht genau, was Tomás meinte. Obwohl ich gern am Fels klettern ging, galt mein ganzes Interesse gerade den bunten Griffen in der Vertikale der Kletterhalle.
Ich wollte gut sein. Ich wollte so gut sein wie die Älteren, mit denen ich trainierte, und wie die Talentierten, die aus aller Welt in unsere Hallen kamen. Ich wollte wissen, wie gut ich sein kann, wenn ich mein Bestes gebe. Und ich begann der Idee zu vertrauen, die in meinem Kopf herumspukte: ich wollte das Klettern zu meinem Beruf machen.
Ich wollte klettern, um davon leben zu können, um klettern zu können.
Als wir von Puurs nach Hause flogen, sahen die Berge aus der Luft großartig aus. Jorg saß neben mir in der Maschine, und ich sah ihm an der Nasenspitze an, dass er dachte, was ich dachte: Wir sollten den Tag nicht einfach so vorbeigehen lassen.
Reini hatte gerade erst am Hechenberg eine super Erstbegehung gemacht.
»Reini«, fragte ich, »wie lang brauchen wir für deine Route am Hechenberg?«
»Vergiss es«, antwortete Reini. »Macht es morgen. Dann habt ihr’s gemütlich.«
Aber natürlich machten wir es doch. Der Hechenberg ist gleich neben dem Innsbrucker Flughafen, Richtung Zirl, nach anderthalb Stunden Fußmarsch waren wir am Einstieg. 400 Meter Route, Reini hatte auf der ganzen Länge nur Normalhaken stecken lassen, außer an den Ständen, wo wir uns an Bohrhaken sichern konnten. Nette Route, die zwischendurch ziemlich schwierig wurde.
»Kann was, der Reini«, schrie Jorg, während er mich nachsicherte.
Stimmt. Die Route war Schwierigkeitsgrad 9+, mindestens, und wir hatten zwei Tage Vollgas-Wettkampfklettern in den Knochen, nicht zu vergessen die Party von gestern. Reini hatte uns gesagt, die Tour habe zehn Seillängen, aber es waren dreizehn, und jede einzelne von ihnen hatte es in sich.
Als wir zum Ausstieg der Route kamen, dunkelte der Aprilhimmel schon ein. Es war etwa acht Uhr. Demnächst würde es dunkel sein.
Aber da waren noch ein paar Details zu erledigen.
»Jorg, weißt du, wie man hier wieder runterkommt?«
»Rückweg? Ich bin froh, dass wir die Route gefunden haben.«
Also begannen wir im Dämmerlicht nach Hinweisen zu suchen, wo vielleicht ein Weg Richtung Tal beginnen könnte. Zum Glück lag noch Schnee, denn irgendwann fand Jorg Fußspuren, von einem Jäger vielleicht oder von einem anderen Waldbewohner. Mangels Alternativen folgten wir den Spuren, und sie führten zu einem kleinen Steig, der vage mit der Beschreibung übereinstimmte, die Reini uns vom Abstieg geliefert hatte – falls ich mich richtig erinnerte.
Wir schalteten die Stirnlampen ein und gingen los. Wir wussten nicht, ob wir richtig waren, und langsam meldete sich auch der Magen und verlangte nach Abendessen – wie üblich hatten wir nichts zu essen dabei. Wir gingen, schnell und schweigend. Bald war es völlig dunkel.
Nachdem wir vielleicht eine Stunde marschiert waren, packte mich Jorg am Arm.
»Schau mal, Fuzzy«, sagte er. »Was ist das?«
Jetzt sah ich es auch. Im stockdunklen Wald vor uns blitzte ein Licht auf, verschwand, kehrte
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