High - Genial unterwegs an Berg und Fels
kämen.
In der Halle lernte ich Patrick Andrey kennen, einen Schweizer, der in Kuala Lumpur eine Kletterhalle betreibt. Er erzählte mir von den unglaublich schönen und unberührten Wänden an der Grenze zu Thailand. Hochinteressant. Ich beschloss, die Info bei nächster Gelegenheit an meine Freunde von Mammut weiterzugeben, die sich gerade nach einem Ziel für den nächsten Teamtrip umsahen.
Am nächsten Tag ging mein Flieger zurück nach Amerika. Es war mein Geburtstag, der 16., endlich. Ein Doppelwhopper-Geburtstag: Als ich auf meinem Rückflug nach San Francisco die Datumsgrenze überquerte, begann der vierte August ein zweites Mal.
Daniel und ich kletterten im Yosemite noch ein paar schöne Routen, und ich hätte guten Grund gehabt, ein bisschen mehr über meine Wettkämpfe nachzudenken, denn es sah im Weltcup trotz zweier versäumter Wettbewerbe nicht schlecht für die Gesamtwertung aus. Hätte ich auf Yosemite verzichtet, wäre vielleicht schon früh in der Saison alles klar gewesen – aber mich durchströmte eben ein Gefühl, das stärker war als der pure, sportliche Ehrgeiz. Es war das Gefühl, an den Fels zu gehören, die erstaunlichen Launen der Natur Haut an Haut nachvollziehen zu wollen. Das Gefühl der Sprachlosigkeit, die dich beim Anblick wirklich großer Wände überkommt. Der Wunsch, dieser Sprachlosigkeit etwas entgegenzusetzen: Klettern. Reibung. Vereinigung mit dem Fels.
Ich war gerade sechzehn, es war meine erste Weltcupsaison, aber ich spürte, dass ich für mein Leben als Kletterer beide Pole brauchte: den Sport in der Halle und das Erlebnis am Fels. Klettern in der Halle ohne Ausgleich am Fels schien mir plötzlich künstlich zu sein. Aber Klettern in der Halle war das, was meine ganze Konzentration beanspruchte, denn auch wenn mein Einstieg in die Wettkämpfe glänzend gewesen war, so würde mir jeder Tag, den ich mit klopfendem Herzen im Yosemite verbracht hatte, beim nächsten Wettkampf fehlen.
Klar, ein Wettkampf fordert das Talent. Aber kein Talent kommt ohne harte Arbeit zur Geltung. Ich musste also Ent scheidungen treffen. Volle Konzentration auf den Sport – oder volle Konzentration auf das, was ich als geniales Klettern verstand.
Eine Woche, nachdem ich aus Kalifornien heimgekommen war, fanden in Imst die Jugendweltmeisterschaften statt. Ich wurde Dritter. Das war kein Hammerresultat. Immerhin hatte ich diesen Titel in den beiden Jahren zuvor souverän gewonnen.
In Imst merkte ich zum ersten Mal, wie sehr sich das alpine Klettern auf den Sport auswirkt. Schon in der Qualifikation musste ich mich ernsthaft anstrengen, und den dritten Platz schaffte ich nur dank einer gewaltigen Kraftanstrengung im letzten Durchgang, und selbst das war voll am Limit. Ich begriff, dass ich trainieren musste wie der Teufel, um in der zweiten Hälfte der Saison nicht völlig abzustinken.
Im Monat darauf trainierte ich so viel wie noch nie in meinem Leben. Beim traditionellen »Rockmaster« in Arco wurde ich vor Tausenden Zuschauern Fünfter, bei den Weltcups in Marbella und Shanghai Sechster, die beiden letzten Wettkämpfe in Penne, Italien und Kranj, Slowenien gewann ich wieder. In der Gesamtwertung wurde ich hinter Patxi Usobiaga Zweiter.
Geht doch.
Elf
Im Februar 2007 flogen wir zum Mammut-Teamtrip nach Malaysia.
Ich hatte Pascal Brönnimann von Mammut den Kontakt zu Patrick Andrey in Kuala Lumpur vermittelt, und Pascal hatte sich mit Patrick kurzgeschlossen. Es war typisch für Pascal, dass er sich sofort dahinterklemmte. Er ist ein feiner, offenherziger Mann, der es, wie die meisten Schweizer, gern gemütlich nimmt. Ein Ziel in Asien, das auch die Nähe zum Meer versprach, kam ihm gerade recht.
Über Patrick war Pascal beim Kronprinzen von Perlis gelandet, der sich für den Klettersport interessierte. Der Prinz sprach sofort eine Einladung an das gesamte Mammut-Team aus. Er hatte eine Riesenfreude an der Idee, dass super Kletterer in den unglaublichen Felslandschaften an der Grenze zu Thailand Klettergebiete einrichten würden. Die Landschaften gehörten ihm. Die super Kletterer waren wir: Cédric Lachat, Christina Schmid, Katharina Saurwein, Anna Stöhr, Juliane Wurm und ich.
Diesmal war auch Reini mit von der Partie. Er und ich reisten schon ein paar Tage früher an, um neue Routen einzurichten. Ich glaube, der Reini hätte es als bester Freund der Bohrmaschine nicht ausgehalten, wenn ich in einem spektakulären Klettergebiet das mache, was er am liebsten tat: Bohrhaken setzen,
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