High Heels im Hühnerstall
fragte Jake.
»Habe ich das gesagt?«, wich Sophie aus.
»Ich glaube schon.« Ohne Vorwarnung packte er sie an der Hand und zerrte sie geradezu aus der Nische und durch das Restaurant, wobei die Gäste erstaunt ihre Köpfe nach ihnen umdrehten.
»Wir müssen telefonieren«, erklärte er dem erstaunt dreinblickenden Kellner, als er an ihm vorbeieilte. »Sind in einer Minute zurück.«
Sophie folgte ihm, unsicher, was da vor sich ging, bis sie draußen in dem schmalen Durchgang standen.
Wortlos legte Jake die Hände auf ihre Schultern und drückte sie gegen die mit Graffitis beschmierte Mauer. Eine Sekunde sah er sie an, atmete schwer, und dann küsste er sie. Und Sophie erwiderte den Kuss auf eine Art und Weise, wie sie es nie zuvor getan hätte, weil ihr Körper nach Intimität und Sex gierte und lange, bevor ihr Gehirn verarbeiten konnte, was da passierte, auf Jake reagierte. Ein paar Sekunden lang fühlte sich an dem Kuss alles wunderbar, fantastisch an. Und dann wurde es Sophie klar – die Lippen, die ihren Hals berührten, waren nicht Louis’ Lippen, die Hände, die von ihren Schultern hinunter zu ihren Brüsten wanderten, waren nicht die, nach denen sie sich sehnte, und vor allem stand sie hier in einer Gasse und küsste einen Mann, der nicht der Vater ihres Babys war. Nicht etwa, dass sie schwanger war, aber falls doch, dann wäre das schlecht gewesen.
Sophie stieß Jake zurück.
»Wow«, sagte er. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Ergebnisse dieses Experiments den Erwartungen entsprechen.«
»Nicht?«, fragte Sophie.
»Nicht, wenn ich herausfinden sollte, dass ich dich nicht gern küsse. Das Gegenteil ist der Fall.«
»Nein«, erklärte ihm Sophie trotz des gegenteiligen Beweises, der sich in seiner Hose ganz deutlich abzeichnete. »Und ich will dich auch nicht küssen. Du liebst Stephanie, das konnte ich von deinem Gesicht ablesen, als du von ihr gesprochen hast, und ich liebe Louis. Ich liebe ihn wirklich, und ich weiß nicht, warum ich dich in einer finsteren Seitengasse küsse, weil ich ihn dann nur noch mehr vermisse.«
»Autsch«, seufzte Jake, er ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss darauf. »Du weißt, dass es mich umbringt, das zu sagen, aber ich glaube nicht, dass ich je der richtige Mann für dich gewesen wäre, selbst wenn Louis nicht dahergekommen wäre.«
»Möglicherweise nicht – aber nach diesem Kuss zu urteilen, kann Stephanie sich wirklich glücklich schätzen.« Sophie schenkte ihm zögerlich ein Lächeln.
»Und, können wir trotzdem zusammen essen?«, fragte er hoffnungsvoll, während er noch immer ihre Hand hielt. »Wir können uns ja über unsere Hochzeitspläne austauschen.«
»Ich würde gern mit dir zu Mittag essen. Aber ich habe noch keine konkreten Hochzeitspläne«, erklärte ihm Sophie, während sie ihm ins Restaurant zurück folgte und sich bewusst wurde, dass ihr Lippenstift inzwischen ganz verwischt war.
»Tatsächlich? Du bist so anders als alle Bräute, die ich kenne. Hör zu, wenn es dir nicht zu unangenehm ist, solltest du das mit Stephanie besprechen. Diese Frau ist eine Maschine in Sachen Hochzeitsplanung.«
»Jake«, sagte Sophie, als sie wieder in ihrer Nische Platz nahmen.
»Ja?«, fragte Jake jetzt deutlich entspannter als vor ihrem Aufbruch.
»Danke. Es ist so gut, einen Freund wie dich zu haben.«
Sein Lächeln war vielleicht ein bisschen traurig, als er ihr einen Kuss auf die Wange drückte und sagte: »Sophie, ich werde immer dein Freund sein.«
15
Sophie stand in der Drogerie an der Ecke von Highbury Grove und betrachtete lange die magere Auswahl an ermäßigtem Nagellack. Sie dachte an Stephanie Corollos lange, rot glänzende Fingernägel und besah sich dann ihre eigenen: Abgebrochen, nackt und noch immer mit ein bisschen Sand aus Cornwall in den Ecken, und sie nahm ein Fläschchen »Scarlet Woman« aus einem kleinen Korb mit Sonderangeboten direkt neben den Kupferarmbändern gegen Arthritis.
Die Frau hinter der Theke beobachtete Sophie genau, und ihre Miene verriet Misstrauen und Missbilligung. Vielleicht lag das daran, dass sie in der winzigen Drogerie langes Herumstöbern nicht gewöhnt war. Die Leute wussten wahrscheinlich meist genau, was sie wollten, wenn sie auf dem Heimweg von der Arbeit oder dem Abholen der Kinder von der Schule kurz hereinkamen. Vielleicht sah Sophie in ihrem schwarzen Designerstrickkleid und den Schuhen von Dolce & Gabbana auch ganz danach aus, als würde sie ein Fläschchen Nagellack im Wert von
Weitere Kostenlose Bücher