High Heels im Hühnerstall
nicht gemacht.«
Louis schwieg lange. »Du hast es aber nicht noch einmal versucht«, stellte er fest, ohne Sophie mitzuteilen, ob Wendy die Nachricht weitergegeben hatte oder nicht.
»Du auch nicht«, sagte Sophie. Sie wollte mit ihm über Bellas Anruf sprechen, darüber, dass die beiden das Handy an sich genommen hatten und sich beinahe vom Schulgelände geschlichen hätten, aber sie wusste, dass dies so ungefähr das schlechteste Thema war, das sie zur Sprache bringen konnte. Er hatte sie endlich angerufen, und sie wollte diesen fragilen Kontakt nicht mit einer Unmenge von Informationen befrachten. Sophie hielt inne, drehte der Frau hinter der Theke den Rücken zu, fand sich dann aber ihrem verzerrten Gesicht in einem Konvexspiegel gegenüber, der in der Ecke oben an der Wand angebracht war. Sie schloss kurz die Augen und konzentrierte sich nur auf Louis.
»Ich bin wirklich froh, deine Stimme zu hören«, sagte sie leise in dem verzweifelten Versuch, über die vielen Kilometer hinweg ein wenig Nähe herzustellen. »Ich habe dich vermisst.«
»Tatsächlich?«, Louis klang unsicher, defensiv, aber vielleicht ein klein wenig herzlicher. »Weißt du, ich war mir nicht sicher, ob du mich und die Mädchen verlassen hast oder nicht.«
»Das würde ich nie tun«, versprach Sophie.
»Du hast also nur beschlossen, mich nicht zu heiraten?«, fragte Louis angespannt.
»Versteh doch, Louis …«
»Ja, ich weiß, du brauchst deinen Freiraum. Du brauchst mir nichts zu erklären, ich rufe dich nicht deshalb an. Wir haben die ganze Woche nach Seth gesucht, aber er ist nirgends zu finden. Einer seiner Mitbewohner sagt, dass er neulich bei einem Auftritt ein Mädchen, das in London, in Tottenham wohnt, kennengelernt hat, und er scheint sie wirklich zu mögen. Er ist die ganze Woche nicht ans Telefon gegangen oder hat versucht, Kontakt zu Wendy aufzunehmen. Sie sagt, dass er sich ein bisschen kopflos verhalten kann, wenn er wütend ist. Sie macht sich wirklich Sorgen, deshalb haben wir uns die Adresse von diesem besetzten Haus beschafft, und wir kommen, um nachzuschauen, ob er sich dort aufhält. Wir fahren in etwa einer Stunde los, und hoffentlich sind die Straßen relativ frei, damit wir gut vorankommen und gegen neun in London sind. Ich dachte, ich lasse dich das für den Fall wissen, dass wir dir über den Weg laufen.«
»Gut«, sagte Sophie, die gegen die Verärgerung ankämpfte, die bei der Nennung von Wendys Namen sofort in ihr aufstieg, und gegen den Wunsch, hervorzuheben, dass die Chancen, Louis könnte ihr hier in der Hauptstadt mit mehr als sieben Millionen Einwohnern »über den Weg laufen«, gleich null waren. Aber sie wollte weder sarkastisch noch unvernünftig klingen.
»Und was ist mit den Mädchen?«, fragte sie.
»Na ja, Mrs Alexander kümmert sich um sie. Hoffentlich sind wir bis Sonntag zurück, sonst weiß ich nicht, wie das am Montag mit der Schule …« Louis verstummte.
»Schau, Mums Haus liegt gewissermaßen auf der Strecke nach Tottenham«, sagte Sophie. »Bring die beiden zu mir. Mum würde sich riesig freuen, sie zu sehen, ich würde mich riesig freuen, sie bei mir zu haben, und die beiden freuen sich, die Hunde zu sehen. Sie können bei uns übernachten, während ihr nach Seth Ausschau haltet, und dann könnte ich sie morgen vielleicht zu ihrer Großmutter bringen und sie über die Neuigkeiten in Kenntnis setzen.« Sophie bezog sich damit auf Carries Mutter, die in einer Seniorenwohnanlage nicht weit vom Haus ihrer Mutter lebte, aber sie fragte sich, welche Neuigkeiten sie Mrs Stiles wohl erzählen würde. »Und falls sie einen Tag Schule versäumen, ist das ja auch kein Weltuntergang. Falls du und Wendy länger bleiben müsst, bringe ich sie nach Hause.«
Als Sophie die letzten beiden Worte ausgesprochen hatte, spürte sie ein Ziehen in der Brust und hatte auf einmal das Bild von Louis’ nur vom elektrischen Kamin beleuchteten Wohnzimmer vor Augen. Sie hatte Heimweh nach einem Ort, an den sie noch nicht einmal richtig gehörte. »Und vielleicht könnten wir uns fünf Minuten Zeit nehmen?«
Sophie beäugte wieder die Auswahl an Schwangerschaftstests auf dem Regal. Sie war sich nicht sicher, wie Louis die Nachricht von einem weiteren Überraschungskind ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt aufnehmen würde, und auf einmal war sie unglaublich traurig. Falls sie schwanger war, dann sollte das eigentlich Grund zu Freude und Begeisterung sein. Etwas Besonderes sowohl für sie als auch für Louis.
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