High Heels im Hühnerstall
im Haus von Iris gewesen. Und er sah aus, als wüsste er nicht recht, was er tun und wo er stehen sollte. »Wendy ist Daddys Freundin, mit der er zur Schule gegangen ist, sie haben sich früher geküsst, aber jetzt nicht mehr, weil Daddy Sophie liebt. Wendy hat einen erwachsenen Jungen, der fortgelaufen ist, obwohl er erwachsen ist, deshalb …« Bella zuckte mit den Achseln, als könnte sie wirklich nicht das Problem erkennen. »Daddy hat uns nach London gebracht, weil er Wendy helfen will, nach Seth zu suchen. Deshalb sind wir hier. Und um dich zu sehen, Tante Sophie. Nicht, um dich zu besuchen, weil man nur Leute besucht, die man nicht so oft sieht, aber wir werden dich doch weiter ganz oft sehen, oder? Weil du nur deine Mummy besuchst, nicht wahr? Und dann kommst zu wieder zu uns nach St Ives zurück.«
»Ja, genau«, antwortete Sophie und blickte in der Hoffnung zu Louis auf, ihm in die Augen zu sehen, doch er schien eingehend den Fußboden zu betrachten. Sophie holte Luft, lächelte und drückte beide Mädchen an ihre Brust. »Es kommt mir vor, als hätte ich euch eine Ewigkeit nicht gesehen!«
»Es war etwa eine Woche«, informierte Bella sie lächelnd. Sophie zerrte das Mädchenbündel auf das Sofa, um die beiden der Aufmerksamkeit der Hunde weitgehend zu entziehen, und kuschelte sich an sie. Abgesehen von ihrem Bedürfnis, zu erfahren, wie die Sache mit Sophie genau stand, schien Bella über ihre unvorhergesehene Fahrt nicht beunruhigt zu sein. Das lag daran, weil sie dachte, sie verstünde, was vor sich ging. Seit dem Tod ihrer Mutter und den Umwälzungen, die sie und ihre Schwester aus der Welt gerissen hatten, in der sie sich einst geborgen fühlten, und sie kopfüber in Chaos und Verwirrung gestürzt hatten, sammelte sie regelmäßig sämtliche Informationen, von denen sie annahm, sie könnten auch nur den geringsten Einfluss auf ihr und Izzys Leben haben. Sophie schämte sich zuzugeben, dass sie nicht wirklich wusste, wie Bella vor Carries Tod gewesen war, aber jetzt wusste sie, dass Bella über alles Bescheid wissen wollte, was sich um sie herum abspielte; sie war kein kleines Mädchen, das Überraschungen liebte und damit umgehen konnte. Doch es war klar, dass Louis es bislang für angeraten gehalten hatte, ihr nur eine aufbereitete Version der Wahrheit zu geben, und das beunruhigte Sophie. Irgendwann müsste er seinen Töchtern erklären, wer Seth wirklich war, und Sophie wusste, dass Bella sich verletzt und verraten fühlen würde, und fürchtete ihre Reaktion darauf. Wenn sie doch nur die Chance bekäme, mit Louis zu reden, ihm alle ihre Sorgen und Ängste zu erzählen, dann würde er vielleicht erkennen, dass seine Töchter die ganzen Turbulenzen genauso durchmachten wie er. Wieder einmal waren sie in die Angelegenheiten der Erwachsenen verstrickt, hin und her geworfen wie gefangene Fische auf einem ständig schaukelnden Schiffsdeck. Die beiden Mädchen waren so gut wie machtlos, um das, was um sie herum vor sich ging, zu kontrollieren. Doch bis Sophie die Sache mit Louis in Ordnung bringen konnte, blieb ihr nichts weiter, als für die beiden da zu sein, der Mensch zu sein, auf den sie immer zählen konnten. Als sie Louis ansah, schien er noch weiter von ihr entfernt zu sein als in Cornwall.
Sophie hatte keine Ahnung, was als Nächstes passieren würde, aber eines war ihr klar: Was immer es sein mochte, sie konnte die Mädchen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie würde immer für sie da sein müssen, und sei es als alleinerziehende Mutter. Sie brauchten sie, und es gab nichts auf der Welt, was sie dazu brächte, die beiden im Stich zu lassen.
Iris verließ das Zimmer und kehrte sogleich mit einem Teller Kekse zurück, die mit rosa Zuckerguss überzogen waren, und die sofort die Aufmerksamkeit aller Hunde und Kinder erregten.
»Ich weiß, dass es spät ist, aber ich dachte, es wäre nur dieses eine Mal in Ordnung, wenn ihr einen Keks und eine Tasse heiße Schokolade bekommt, bevor ihr ins Bett geht. Nicht du, Scooby.« Die Mädchen kicherten, als Scooby versuchte, sich auf die Hinterbeine zu stellen, um an die Kekse heranzukommen, und Iris lächelte Louis freundlich an. »Das ist doch okay, Louis, oder?«
»Natürlich, Iris.« Louis kam erst jetzt ins Zimmer, stieg über die Hunde hinweg, um Sophies Mutter einen Kuss auf die Wange zu drücken. Sophie versuchte, sich nicht daran zu stören, dass er zuerst ihrer Mutter einen Kuss gegeben hatte, bevor er sich ihr überhaupt näherte,
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