High Heels im Hühnerstall
Geschichte, sie.
»Tut mir leid, dem Land der Meerjungfrauen, und morgen werden wir ihr auf ihren wunderbaren Abenteuern in die Stadt unter dem Meeresspiegel folgen.«
Sophie blickte auf die in ihrer Armbeuge bereits tief schlafende Izzy hinab, die den Daumen in den Mund gesteckt hatte, und deren lange Wimpern die Wangen berührten. Allein ihr Anblick, wie sie bereits so in ihre Träume versunken war, machte Sophie auf einmal sehr, sehr müde.
»Tante Sophie«, sagte Bella und zog Sophies Aufmerksamkeit auf ihre großen, dunklen und hellwachen Augen.
»Ja, Schatz?« Sophie unterdrückte ein Gähnen; sie hatte das Gefühl, dass sie wohl nicht so bald einschlafen durfte.
»Wer ist Seth wirklich?«, wollte Bella von ihr wissen. »Warum hilft Daddy dieser Wendy-Frau, die du nicht magst und ich genauso wenig?«
»Ich würde nicht sagen, dass ich Wendy nicht mag«, erklärte Sophie vorsichtig. »Ich kenne sie eigentlich gar nicht so gut. Manchmal trifft man eben jemanden, mit dem man einfach nicht allzu gut auskommt. Ich bin mir sicher, dass Wendy ein wirklich netter Mensch ist für … für manche Leute.«
»Aber warum bringt Daddy uns alle nach London, um nach Seth zu suchen, wenn der gar nichts mit uns zu tun hat? Er ist erwachsen, er braucht wahrscheinlich gar nicht gefunden zu werden.«
»Na ja, manchmal muss man sich auch um Erwachsene kümmern«, antwortete Sophie, die mit Bestürzung Bellas nachdenkliche Miene bemerkte. Das bedeutete, dass das Kind im Gegensatz zu seiner Schwester nicht ganz so müde war. Bella war in der Stimmung, Fragen zu stellen, den Dingen auf den Grund zu gehen und ein Puzzle zu lösen. Und das wiederum hieß, dass Sophie sich entweder gegen Louis wenden und Bella die Wahrheit über Seth erzählen oder Bella anlügen und das Risiko eingehen musste, ihr Vertrauen für immer zu verspielen.
»Aber warum hilft Daddy dieser Wendy? Noch vor einer Woche waren sie nicht einmal Freunde, und du und Daddy, ihr habt die Hochzeit geplant, und jetzt redet keiner mehr über die Hochzeit, und Daddy hilft dieser Wendy-Frau, und ich verstehe nicht, warum.«
Sophie schloss die Augen; es war warm und gemütlich im Doppelbett, in dem sie zwischen den beiden Kindern gekuschelt dalag. Es wäre so leicht, mit den Mädchen in den Armen einfach in den Schlaf zu driften, aber sie musste einen Weg finden, Bella zu antworten, weil sie wusste, dass das kleine Mädchen ansonsten an die von der Straßenlaterne beschienene Zimmerdecke starren und die halbe Nacht grübeln würde.
»Na ja, du kennst meine Mummy«, hob Sophie ein wenig unsicher an.
»Ja.« Bella schien ebenso skeptisch über die Richtung zu sein, die das Gespräch nahm.
»Sie liebt mich und macht sich viele Sorgen um mich, obwohl ich wirklich erwachsen bin. Und Wendy ist Seths Mutter, und sie macht sich ebenfalls Sorgen um ihn, obwohl er erwachsen ist, weil Mütter nie aufhören, sich um ihre Kinder zu sorgen. Und der arme Seth ist wütend und verwirrt und durcheinander, und Wendy hat keine Möglichkeit gehabt, mit ihm zu reden und zu sehen, ob mit ihm alles in Ordnung ist. Und manchmal, wenn man Sorgen hat, braucht man einen anderen Menschen, einen Freund, der einem hilft, das durchzustehen. Ich weiß, dass Daddy und Wendy lange Zeit nicht miteinander befreundet waren, aber echte Freundschaften vergehen nie, sie überdauern viele Jahre, selbst wenn man den anderen nicht sieht, weil man weiß, wie gern man ihn hat, komme, was wolle. Wie bei deiner Mummy, sie war – ist – noch immer meine beste Freundin, obwohl ich sie nie mehr wiedersehen werde, weil ich nie vergesse, wie lieb ich sie habe.«
»Dann hat Daddy diese Wendy-Frau auch lieb?« Bella sah beunruhigt aus.
»Nein, nein, er mag sie, und deshalb hilft er ihr.« Sophie hoffte, in diesem Punkt recht zu haben. »Er hilft ihr aus Freundlichkeit.«
»Und das ist der einzige Grund?« Bella musterte sie mit fragendem Blick.
»Ja«, bestätigte Sophie voll Unbehagen.
Sie beobachtete, wie sich Bellas Stirnrunzeln glättete, als sie sich Sophie zuwandte und den Kopf auf ihre Schulter legte. Bella glaubte, was immer Sophie ihr sagte.
»Kannst du hierbleiben und heute bei uns schlafen?«, fragte Bella. »So wie ich damals in deiner Wohnung bei dir auf dem Sofa geschlafen habe, als wir dem Verkehr gelauscht und so getan haben, als wären es die Meereswellen, erinnerst du dich?«
»Ja, ich erinnere mich«, antwortete Sophie, die Schuldgefühle wegen ihrer Halbwahrheiten plagten, mit denen sie
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