High Heels im Hühnerstall
Seufzer der Erleichterung aus. Es war Seth. Seth und ihre Mädchen, die da in sicherem Abstand, aber dennoch beängstigend nahe am Rand des Kliffs saßen.
Sophie schlich vorsichtig um den Felsen herum, bis sie verstehen konnte, was sie sagten. Sie musste die Gelegenheit nutzen, sie musste Gewissheit haben, dass er sie nicht verletzen konnte, bevor sie ihn wissen ließ, dass sie hier war.
»Mummy ist irgendwo da draußen«, erklärte Izzy gerade. »Und sie ist in den Bäumen und im Himmel und den Straßenlaternen und den Büschen und im … im Meer und in den Booten und so weiter. Sie ist überall, sagt Tante Sophie, und sie passt auf uns auf und hat uns lieb. Aber das hier ist der beste Platz, an dem wir mit ihr sprechen können, weil das ihr Lieblingsplatz war.«
»Scheiße, ihr müsst sie sehr vermissen«, hörte Sophie Seth sagen, als sie noch näher kroch. Er klang nicht wie ein Irrer, der gerade zwei Kinder gekidnappt hatte, um ihnen wehzutun. Er klang nicht einmal wütend, nur müde und irgendwie entspannt.
»Ich hatte meine Mutter immer«, erklärte er. »Mum war immer da, aber ich hatte nie einen Vater, nur für kurze Zeit, und das hat sich dann auch als Scheiße herausgestellt.«
»Unser Dad war auch eine Weile nicht bei uns«, erzählte ihm Bella. »Er hat uns verlassen, als ich klein und sie noch nicht einmal auf der Welt war. Ich glaube nicht, dass er es wollte, aber er ist gegangen, und dann … Dann gab es eine Ewigkeit nur Mummy und uns.«
»Aber jetzt ist er wieder zurück, oder?«, fragte Seth. »Das ist cool, habe ich recht?«
Sophie spähte in die Dunkelheit und hatte Angst, noch näher zu kommen. Sie konnte Sandwichverpackungen erkennen und einen Styroporbecher, der umgekippt auf dem Gras lag. Wahrscheinlich heiße Schokolade, falls es sich um Izzys Becher handelte.
»Er war da, bis er das mit dir herausgefunden hat«, antwortete Bella mit finsterem Tonfall. »Und dann ist er wieder fortgegangen, um dich zu suchen. Er ist wieder gegangen und hat uns im Stich gelassen, und jetzt wissen wir nicht, wo er steckt. Weil er nicht bei dir ist.«
»Das war er, Süße«, sagte Seth und wuschelte ihr durch die Haare. »Verdammt, tut mir leid. Ich habe euch das alles eingebrockt. Ich habe nicht an euch gedacht. Ich war nur so wütend auf ihn und Mum, wisst ihr? Dass die gemeint haben, es wäre cool, mich völlig unvorbereitet damit zu konfrontieren. Ich bin explodiert, hab mich wie ein Schwachkopf verhalten. Meine Mum und euer Dad haben mich durch das ganze verdammte Land verfolgt und bis jetzt damit nicht aufgehört. Ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich heute hierher zurückkomme. Ich musste einfach weg von ihr, weil sie mir immer sagt, wie es zu laufen hat. Ich bin kein Kind mehr. Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich machen soll. Das entscheide ich selbst.«
»Man darf nirgends hingehen, ohne dass man seiner Mummy sagt, wo man ist«, rügte Bella ihn. »Das haben sie uns im Sicherheitsunterricht beigebracht.«
»Und weiß eure Mummy, wo ihr jetzt seid?«, fragte Seth ungehalten.
»Ja, weil wir es ihr gerade gesagt haben«, antwortete Izzy und deutete zum dunkler werdenden Himmel hinauf. Sie schwiegen einen Augenblick.
»Ich habe noch nie einen großen Bruder gehabt«, stellte Izzy fest. »Umarmt man den? Das hoffe ich, weil mir ein bisschen kalt ist.«
Seth schwieg einen Moment; Sophie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, als er den Blick über das Meer schweifen ließ.
»Verflucht, ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Ich hatte bis jetzt keine kleinen Schwestern und so. Ich kenne überhaupt keine Kinder. Aber ich vermute, dass eine kurze Umarmung in Ordnung ist.« Sophie sah, wie er den Arm um seine vier Jahre alte Halbschwester legte und ihr kurz über die Schulter rieb.
»Ich sollte euch jetzt zurückbringen, echt«, erklärte er. »Die Kacke wird wohl bald am Dampfen sein, wenn sie es nicht schon ist.«
»Aber warum? Du bist doch unser großer Bruder«, stellte Izzy fest. »Das ist erlaubt.«
»Suzanne Deans großer Bruder holt sie jeden Donnerstag zum Fußballtraining ab«, fügte Bella hinzu.
»Ja, aber sie wohnt wahrscheinlich mit ihrem Bruder zusammen, wahrscheinlich kennt sie ihn gut. Ihr habt mich heute zum ersten Mal gesehen.«
»Du siehst genauso aus wie Daddy«, stellte Izzy fest. »Nur glatter.«
»Du siehst dieser Wendy-Frau gar nicht ähnlich«, fügte Bella hinzu.
Seth kicherte. »So nennt ihr sie?«, fragte er. »Diese Wendy-Frau – das
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