High Heels im Hühnerstall
Hafenmauer entlang, als Sophie die erste Polizistin erspähte, die mit ein paar unverdrossenen Touristen sprach, die sich auf den Bänken aneinanderdrängten und mit frischen Pasteten wärmten.
»Ich bin Sophie Mills«, sagte sie zu ihnen. »Die Betreuerin der Mädchen, solange ihr Vater fort ist. Haben Sie die beiden gesehen?« Die Polizistin war sehr jung, ihr Gesicht glatt und rund. Sie sah nicht älter als Seth aus, und ihr Unbehagen, sich mit einer verzweifelten Frau zu unterhalten, war geradezu greifbar.
»Es wäre eine große Hilfe, wenn Sie uns ein Foto geben könnten«, sagte sie fast entschuldigend.
»Nein«, antwortete Sophie kopfschüttelnd und warf einen Blick auf ihre Uhr, während Minute um Minute sie weiter von den Kindern trennte.
»Doch, Madam, es hilft wirklich, ein Foto zu haben«, erklärte ihr die junge Frau. »Bleiben Sie da, ich gebe der Station einen Funkspruch durch, damit der Sergeant kommt und das Protokoll aufnimmt.«
»Nein! « Sophie ertappte sich dabei, dass sie schrie. »Nein, weil … Weil es nicht so schlimm ist, es ist nicht so ernst. Sie sind nicht entführt worden. Sie sind irgendwo hier in der Nähe. Wir müssen nur Ausschau halten.«
»Ein Foto wäre hilfreich«, beharrte die Polizistin, die ihr nicht in die Augen sehen konnte. »Im Ernst, es hilft, die Erinnerung der Leute wachzurufen. Das macht die Sache nicht ernster. Es ist hilfreich.«
»Das ist reine Zeitverschwendung«, erwiderte Sophie und schnappte nach Luft, während sie den Geldbeutel aus ihrer Tasche zog und der Polizistin das Schulfoto zeigte, das sie in einer Plastikhülle in ihrem Portemonnaie aufbewahrte, das erste Foto überhaupt, das sie stets bei sich trug. Es war Ende des letzten Schuljahres aufgenommen worden. Izzy mit senkrecht abstehenden Haaren, weil sie an jenem Tag darauf bestanden hatte, sich selbst zu stylen, und sie eine sehr individuelle Vorstellung davon hatte, wie ein Haarband zu tragen war, und Bella, die geschniegelt und gestriegelt lächelnd neben ihr saß, mit geraden Schultern, weil sie für die Kamera posierte.
»Das ist das Einzige, das ich habe«, sagte sie, als sie es widerwillig aus der Hand gab.
»Wir werden sie finden«, erklärte ihr die Polizistin mit einer Selbstsicherheit, die eine junge Frau ihres Alters eigentlich gar nicht haben konnte.
»Er hat sie also nicht zum Eisessen mitgenommen«, stellte Carmen fest, kaum dass Sophie die Autotür geschlossen hatte. Sie hielt den Blick auf die Straße geheftet, als sie losfuhr und das Stadtzentrum ansteuerte, entschlossen, Sophie keine Ruhe zum Nachdenken zu lassen. »Und er will sie kennenlernen, er will mehr über sie herausfinden. Er wird sie über Carrie ausfragen, wie es war, als Louis zurückgekehrt ist. Wohin würde Bella ihn führen? Was würde sie ihm zeigen, um alles zu erklären? Vielleicht zu Carries Grab?«
»Carrie hat kein Grab, ihre Asche wurde über … Oh, mein Gott.« Sophie blickte zu den Klippen hinauf, die über der Stadt aufragten.
»Sie könnten da oben sein, sie könnten ihn dort hinaufgeführt haben, um ihre Mummy zu treffen.«
***
Carmen war mit dem Auto so nahe wie möglich an den Pfad herangefahren, der zum Rand des Kliffs hinaufführte. Sie hatte ihren Allradwagen über das unebene Gelände viel weiter hinaufgetrieben, als eigentlich erlaubt war, doch der Rest der Strecke war nur zu Fuß zu bewältigen, und während Carmen in ihrem unrechtmäßig abgestellten Auto wartete, kämpfte Sophie sich wieder unter Zeitnot den Hügel hinauf, und ihr Herz pochte wie wild in ihrer Brust, während sie dem Gipfel zustrebte. Als sie ihn schließlich erreichte, erwartete sie, nichts weiter zu sehen als die leere Weite der ins Meer hinausragenden zerklüfteten Küste und das schwache letzte Glühen des Tages, das am Himmel verblasste.
Sie hielt den Atem an, als sie die Silhouetten von Menschen am Horizont erkannte. Sie saßen auf dem Dünengras, und Sophie konnte nicht ausmachen, wie viele es waren und wie alt sie sein mochten. Das konnte durchaus ein Liebespaar sein oder ein Paar, das Vögel beobachtete, aber auch zwei kleine Mädchen mit ihrem verwirrten großen Bruder.
Aus Furcht vor dem Geräusch ihres eigenen Herzens, das in ihrer Brust hämmerte, näherte Sophie sich langsam und leise der Gruppe, und sie hielt den Atem an, als die Menschen deutlicher zu erkennen waren. Etwa fünf Meter hinter ihnen blieb sie bei einer Felsnase stehen, hielt sich dahinter verborgen und stieß einen langen, leisen
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