High Heels im Hühnerstall
plötzlicher und sinnloser Tod hatte ihr ihre eigene Sterblichkeit vor Augen geführt, doch darüber hinaus hatte er sie erkennen lassen, wie anfällig auch das Leben der Menschen war, die ihr nahestanden. Wie schnell konnte sie die Menschen, die sie liebte, verlieren, auch wenn das unwahrscheinlich war.
Abgesehen von dieser neuen, ständig an ihr nagenden Besorgnis fand sie es schwierig, sich mit ihrer neuen Persönlichkeit zurechtzufinden. Sophie war sich bewusst, dass sie nicht mehr Sophie Mills, die Karrierefrau in der Großstadt war. Inzwischen war sie nicht einmal mehr die ehemalige Karrierefrau in St Ives. Sie war Sophie Mills, ganz offiziell liiert. Beziehungsweise verlobt.
»Du bist meine Verlobte, und ich dein Verlobter«, hatte Louis ihr fröhlich erklärt, als sie am Morgen den Gartenweg zu seinem Haus entlanggegangen waren.
»Ich weiß, ich weiß«, hatte Sophie geantwortet. »Ich werde nur ein Weilchen brauchen, bis ich mich an den Gedanken gewöhnt habe. Ich meine, das ist schließlich so neu.«
»Na ja, wenn dir der Begriff Verlobte nicht gefällt, wie wäre es dann mit Braut? Wie wäre es, wenn ich dich als meine Braut bezeichnen würde?«
»Hmmm.« Sophie klang skeptisch.
»Was – zu altmodisch?«, fragte Louis.
»Nein, es klingt so förmlich«, antwortete Sophie.
»Ich verstehe, was du meinst, aber ich glaube, sich zu verloben oder zu versprechen, ist prinzipiell ein bisschen förmlich«, stellte Louis fest.
»Ich weiß, ich meine ja nur, dass es ein anderes Wort geben sollte, etwas Lustiges. Ein Wort, das nicht so befrachtet ist.«
»Befrachtet?« Louis zog eine Augenbraue hoch. »Okay, ich denke darüber nach.«
»Na?« Mrs Alexander öffnete angespannt und mit gerunzelter Stirn die Eingangstür von Louis’ Haus, bevor er den Schlüssel ins Schloss stecken konnte. Offenkundig hatte sie am Wohnzimmerfenster gestanden und auf sie gewartet.
»Das Avalon ist nicht niedergebrannt, und Grace geht es bestens«, versicherte ihr Sophie. »Wie geht es den Mädchen, haben sie Sie fertiggemacht?«
»Nein«, antwortete Mrs Alexander. »Es braucht schon mehr als zwei süße kleine Schätzchen wie die beiden, um mich unterzukriegen. Ihre Katze dagegen hat mir fast das Auge ausgekratzt, als ich versucht habe, sie zu streicheln.«
»Das liegt daran, dass sie Menschen nicht mag; ich habe es erwähnt«, erklärte Sophie, die sich fragte, ob es Mrs Alexander vielleicht in den Sinn kam, sie demnächst ins Haus zu lassen. Manchmal trieb sie es mit ihrer unheimlichen Rolle als Hausherrin ein bisschen zu weit, zumal alle, die sie kannten, wussten, dass unter ihrem Hauskleid ein Herz aus Gold schlug. »Sie braucht ihren Freiraum und ist sehr auf ihre Privatsphäre bedacht. Sie lässt sich Zeit, neue Beziehungen zu knüpfen … Ich habe sie aus dem Tierheim geholt, wissen Sie. Ich habe sie jetzt schon jahrelang, und sie mag mich noch immer nicht. Ich versuche, es nicht persönlich zu nehmen.«
»Klingt vernünftig«, erwiderte Mrs Alexander. Sie musterte Sophie kühl mit ihren blauen Augen. »Und, heiraten Sie ihn?«
Sophie blickte Louis an. »Wusste wirklich alle Welt, was du vorhattest?«, fragte sie.
»Mehr oder weniger«, antwortete Louis und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
»Und, tun Sie es?«, drängte Mrs Alexander sie weiter, während sie noch immer den Eingang blockierte, als hinge es von Sophies Antwort ab, ob sie eintreten durften.
»Sieht ganz danach aus«, versicherte Sophie, die Louis’ Arm in ihrer Taille spürte. Dann fügte sie hinzu, weil sie fürchtete, nicht glücklich genug geklungen zu haben: »Louis und ich sind offiziell verlobt. Das ist so aufregend.«
Ganz unerwartet strahlte Mrs Alexander auf einmal, und ihr gewöhnlich mürrischer Gesichtsausdruck verriet plötzlich große Freude, was Sophie völlig überraschte. »Ich freue mich wahnsinnig für Sie, meine Liebe«, sagte sie und schloss Sophie mit erstaunlicher Leidenschaft in die Arme und ließ sie dann rasch wieder los. »Ich brauche einen Monat im Voraus die Kündigung für das Zimmer, wenn Sie Ihre Kaution zurückhaben wollen.«
»Ach, ich glaube nicht, dass ich so schnell ausziehen werde«, stellte Sophie fest und wich Louis’ Blick aus.
»Die Mädchen warten jedenfalls schon den ganzen Morgen auf Sie. Sie haben eine kleine Show vorbereitet.« Mrs Alexander trat zur Seite, lächelte Louis an und ließ sie ins Haus. »Ich wollte sicher sein, dass alles in Ordnung ist, bevor ich sie von der Leine lasse, nur
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