High Heels im Hühnerstall
ungestüm in die Arme schloss. Sie war kleiner als Sophie, konnte mit ihren schlanken Hüften und schmalen Schultern als zierlich bezeichnet werden und hatte jenes hübsche mädchen- und elfenhafte Aussehen, das Sophie, wie sie just in dieser Sekunde feststellte, schon immer gehasst hatte. Mit einem Schlag kam Sophie sich nicht mehr weiblich und sexuell anziehend vor, sondern wie ein Trampeltier: plump, groß und dick. Sie zog den Bauch ein und richtete sich auf.
»Wie lange hast du oben im Norden gelebt?«, fragte Louis und warf einen Blick auf seine Töchter. Izzy bemühte sich gerade, den ganzen Inhalt eines Mini-Ketchup-Beutels auf einem einzelnen Kartoffelchip zu verteilen. Bella dagegen starrte diese Wendy unter ihrem Pony hervor an und lauschte aufmerksam jedem Wort, das gewechselt wurde. Bella wusste gern über alles Bescheid; sie verbrachte einen großen Teil ihres jungen Lebens damit, sicherzustellen, dass ihr keine Information entging, mochte sie auch noch so trivial sein.
»Bin vor etwa einem Jahr wieder heruntergezogen und habe mein eigenes Geschäft aufgebaut – die laufenden Kosten sind hier niedriger, und ich hab’s vermisst; war schließlich immer meine Heimat.« Wendy lächelte. »Was ist mit dir? Wo hast du gelebt, und warum bist du zurückgekommen?«
»Tja, das ist eine lange Geschichte, aber ich habe vor nicht allzu langer Zeit meine Frau durch einen Autounfall verloren. Ich bin zurückgekehrt, um mich um meine Töchter Bella und Izzy zu kümmern …« Louis deutete auf seine beiden Kleinen.
»Guten Tag«, sagte Bella ernst.
»Das sind deine?«, fragte Wendy Churchill mit einem flüchtigen Blick auf die beiden Mädchen, ohne Bellas Gruß zu erwidern. »Du bist Vater? «
»Ja«, antwortete Louis lachend. »Das ist kein Grund, so schockiert zu sein, Wendy! Bella ist sieben, Izzy vier. Ich bin zweifacher Vater und mache mich nach einem schlimmen Fehlstart inzwischen gar nicht so schlecht. Es läuft genau genommen großartig, und das ist …« Schließlich deutete Louis auf Sophie, aber Wendy ignorierte sie. Sie hielt den Blick weiter auf Bella gerichtet, die nach einer Sekunde die Nase rümpfte und Izzy dann die Schale mit den Ketchup-Beuteln entriss, weil sie sich entschlossen hatte, die Fremde zu ignorieren und stattdessen zu verhindern, dass Izzy die ganze Sauce bekam.
»Sie sehen dir unglaublich ähnlich«, stellte Wendy nachdenklich fest, als gäbe sie damit eine geheime Information preis.
»Tatsächlich?« Louis wirkte erfreut. »Bei Bella sehe ich es, aber Izzy ist ihrer Mum wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Nein, beide sehen genauso aus wie … wie du.« Wendy verstummte, warf einen Blick über die Schulter und schien sich dann wieder zu fassen. Plötzlich strahlte sie Louis an.
»Mein Gott, tut mir leid, es ist nur, dass es so lange her ist, seit ich dich zum letzten Mal gesehen habe. Für mich bist du immer noch der Sechzehnjährige, der tolle, große, schlaksige Typ, der du mal warst. Dir jetzt über den Weg zu laufen – einem erwachsenen Mann mit Kindern, das ist so etwas wie ein Schock.«
» Du hast dich überhaupt nicht verändert«, sagte Louis zu Wendy, was Sophie veranlasste, die Stirn leicht zu runzeln, denn wenn diese Frau etwa in Louis’ Alter war, eine ehemalige Schulfreundin oder dergleichen, dann war es unmöglich, dass sie genauso aussehen konnte wie mit sechzehn. Es sei denn, sie hatte schon damals Fältchen und Besenreiser gehabt.
»Daddy, wer ist diese Frau, und was hat sie bei uns zu suchen?« Bella wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Fremden zu. »Und warum starrt sie uns an, als ob wir Tiere im Zoo wären?«
Sophie lächelte sie an, sie konnte sich einfach immer auf Bella verlassen.
»Das ist meine alte Freundin Wendy Churchill«, antwortete Louis und riss endlich seinen Blick von Wendys Gesicht los. »Wir sind zusammen zur Schule gegangen.«
»Und wir waren ein bisschen mehr als nur Freunde«, fügte Wendy hinzu und lächelte geziert, was in Sophie das Bedürfnis auslöste, Wendy Churchill eine saftige Ohrfeige zu verpassen.
»Na ja.« Louis kicherte, und Sophie sah bestürzt, wie er errötete. »Du hast nie geschrieben, du hast nie angerufen. Du hast mir das Herz gebrochen, Wendy Churchill!«
»Du hast nie versucht, mich zu finden«, erwiderte Wendy mit einem Tonfall, der ein klein wenig ernster war als der seine.
»He, du hast Schluss gemacht, ich war der Sitzengelassene«, erklärte Louis. »Und übrigens, das ist meine Verlobte, Sophie
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