High Heels im Hühnerstall
die in ihr solch zwiespältige Gefühle auslösten. Immerhin hatte Wendy ein zwanzig Jahre altes, fast einen Meter neunzig großes Hindernis in das eingebracht, was Sophies märchenhafte Geschichte werden sollte, aber es war nicht nur das. Wendy hatte etwas an sich, was sie beunruhigte.
»Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich tun will«, erklärte Louis, der unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte. »Ich meine, zuerst einmal möchte ich sagen, dass es mir leidtut. Es tut mir leid, dass ich dich geschwängert habe, als wir noch Kinder waren. Ich war doof – und betrunken. Ich wusste nicht, was ich da tat.«
»Ach, ich weiß nicht.« Wendy zog vielsagend die Augenbraue hoch, und Sophie musste sich zusammennehmen, damit ihr Kiefer nicht vor Entsetzen herunterklappte. »Ich habe schöne Erinnerungen an diesen Abend, und übrigens, es war nicht nur deine Schuld. Ich bin in den gleichen Aufklärungsunterricht gegangen wie du. Wir waren beide jung und betrunken …« Wendy zuckte mit den Achseln, und die Geste schien die vergangenen zwanzig Jahre als alleinerziehende Mutter abzuschütteln, als wäre das alles gar kein Problem gewesen. »Wir haben einander so sehr gewollt.«
»Aber warum hast du mir nichts gesagt?«, fragte Louis. »Ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre. Ich war ein verdammt dummer Jugendlicher ohne Eltern, die mir helfen konnten. Aber ich weiß nicht – ich hätte vielleicht etwas unternommen, mir vielleicht einen Job gesucht …«
»Ich habe es dir nicht gesagt, weil ich es nicht wusste, jedenfalls nicht gleich«, antwortete Wendy. »Als du deutlich gemacht hast, dass du nicht mehr mit mir gehen willst …«
»Als ich das deutlich gemacht habe?« Louis wirkte verdutzt. »Du hast mich ignoriert! Ich war am Boden zerstört!«
»Tatsächlich?« Wendy lachte. »Nein, du hast das falsch in Erinnerung. Nach dieser Party war ich so wild darauf, dich wiederzusehen, nachdem wir jetzt ein Liebespaar waren, aber du konntest mich nicht einmal ansehen.«
»Nein, du hast das falsch in Erinnerung – du hast mich ignoriert. Ich dachte, ich hätte dich so enttäuscht, dass du beschlossen hattest, mir auf der Stelle den Laufpass zu geben.«
»Weit gefehlt!« Wendy klimperte tatsächlich mit den Wimpern, was in Sophie den Wunsch weckte, sich zu übergeben. Das lief hier ganz anders, als sie erwartet hatte. Zum einen schien sich ihr so gut wie keine Gelegenheit zu bieten, die unterstützende und verständnisvolle Verlobte zu spielen, vor allem, da Louis ihre Hand unvorsichtigerweise losgelassen hatte. Zum anderen gab es hier eindeutig zu wenig Gebrüll beziehungsweise Angst. Stattdessen wurde geflirtet. Geflirtet!
»Ich kann es nicht fassen«, sagte Louis, der den Kopf schüttelte und Wendy anlächelte. »Ich habe mich wochenlang nach dir verzehrt.«
»Ich ebenso!«, rief Wendy aus. »Jedenfalls hatte ich es nicht bemerkt, dass meine erste Periode ausgefallen war. Bei mir kam sie anfangs nie wirklich regelmäßig. Mum und Dad verkündeten, dass wir wegen Dads Job umziehen würden, und ich dachte, warum nicht? Der einzige Junge, den ich je lieben werde, hat mit mir Schluss gemacht – da konnte ich genauso gut wegziehen. Damals war ich ein mageres kleines Ding, richtig zierlich …«
»Das bist du noch immer«, versicherte ihr Louis galant.
»Ach, ich weiß nicht«, zierte sich Wendy. »Aber als ich ein kleines Bäuchlein bekam, sagte Mum, das läge an den Hormonen. Babyspeck! Wir waren schon ein paar Monate in Oldham, als ich das erste Strampeln spürte. Natürlich wusste ich nicht, dass es sich um ein Strampeln handelte. Ich dachte, ich hätte außerirdisches Leben in mir. Er musste sich schon davor viel bewegt haben, doch ich hatte das als Magenverstimmung abgetan. Aber das – das war ein richtiger Tritt gewesen. Ich bin weinend zu meiner Mutter gelaufen, weil ich dachte, ich hätte Krebs oder etwas noch Schlimmeres. Sie legte die Hand auf meinen Bauch und spürte es, und plötzlich brach sie in Tränen aus.
›Du dummes, blödes, törichtes Mädchen‹, das hat sie zu mir gesagt. Das werde ich nie vergessen. Oder was dann folgte. ›Du dummes Ding hast dich schwängern lassen.‹«
Wendy schüttelte den Kopf und blickte über Sophies Schulter hinweg durch die Jalousie. »Aber am Ende sind sie fantastisch damit umgegangen.«
»Wollten sie nicht wissen, wer der Vater war?«, fragte Louis.
»Ja«, antwortete Wendy. »Und ich habe es ihnen gesagt.«
»Und dein Dad ist nicht
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