High Heels und Gummistiefel
Claire.
Bertrand machte den Mund auf, doch Octave brachte ihn mit einem starren Blick zum Schweigen. »Wenn nur Daisy und ich gehen, dann können wir nicht für alle Eis mitbringen. Clothaire, mon pote, du kannst dir deins selbst holen, wenn du so weit bist. Ich bin nicht der Ersatz für Isabelle.«
Wütend blickte Clothaire auf. »Ich kann nicht alles machen. Ich versuche hier ein bisschen zu lesen.«
»Ja, wir sind ungeheuer beeindruckt. Also, wenn du ein Eis haben willst, dann hör einfach auf zu lesen und geh selbst rüber zur Brücke. Ganz ehrlich, du brauchst Bewegung«, fügte Octave hinzu und lächelte Amelie an, die schüchtern zurücklächelte.
Während dieses kurzen Gesprächs hatte Daisy sich angezogen und machte Anstalten, auf die Treppe zuzugehen. Nachdem er hastig Jeans und Hemd übergestreift hatte und barfuß in italienische Slipper gefahren war, holte Octave sie ein. Er ergriff ihre Hand, und sie zog sie nicht weg.
»Was hast du eben damit gemeint, als du gesagt hast, du bist nicht der Ersatz für Isabelle?«
»Clothaire übertreibt manchmal. Er kann eine richtige Nervensäge sein. Isabelle ist lieb. Und sie hat es gern einfach. Es ist einfacher, Ja zu Clothaire zu sagen, als sich zu streiten.«
Mittlerweile standen sie in einer sehr langen Schlange vor einer winzigen Eisdiele.
»Aber Clothaire ist doch sehr romantisch, oder nicht?«
Octave zog die Augenbrauen hoch. »Clothaire, romantisch? Eigentlich nicht. Absolut tyrannique sogar.«
Allmählich sah Daisy Isabelles Beziehung mit Clothaire in einem ganz anderen Licht. »Du findest also, er weiß Isabelle nicht zu würdigen?«
»Nun ja, manche Dinge weiß er zu würdigen. Es gefällt ihm, eine hübsche Freundin zu haben. Sie kleidet sich elegant und sie ist eine gute Köchin. Und sie ist sehr intelligent, also wird sie eine gute Gastgeberin sein, wenn sie heiraten und Leute zum Abendessen einladen.«
Daisy war schockiert. »Das klingt ja grässlich! Warum ist sie denn mit ihm zusammen?«
»Gute Frage. Clothaire ist ein ziemlich interessanter Kerl, aber er ist so aufgeblasen. Ich finde, Isabelle ist zu gut für ihn. Aber Frauen sind manchmal seltsam.« Octave lächelte Daisy an. »Man weiß nie, was sie denken.«
Langsam gingen sie zurück, aßen dabei ihr Eis und blieben eine Weile auf der Brücke stehen, um den Fluss zu betrachten.
»Es ist so heiß!« Daisy fächelte sich nicht eben wirkungsvoll mit ihrer Handtasche Kühlung zu.
»Wenn du möchtest«, meinte Octave beiläufig, »dann könnte ich dir ja mal in den Nacken pusten. So.«
Er hob ihr Haar an, und Daisy spürte seinen kühlen Atem auf ihrer Haut.
»Besser?«
»Mmm.«
»Wollen wir jetzt zurückgehen?«
»Okay.«
Hand in Hand gingen sie zum Strand hinunter. Doch anstatt auf Agathe und die anderen zuzusteuern, führte Octave Daisy weiter die Promenade hinunter.
»Wenn dir immer noch zu heiß ist, mir ist gerade eingefallen, dass es hier dieses Wasserdings gibt. Wie so eine Art Springbrunnen. Du wirst schon sehen.«
Sie kamen zu einigen verblüffend riesenhaften Fontänen. Daisy war beeindruckt. Die Franzosen hatten wirklich Stil! Man wartete,
bis man an der Reihe war, dann stellte man sich an eine strategisch günstige Stelle, bis ein feiner Wasserstrahl aus der Mauer hervorspritzte. Die Kinder, sah sie, rannten mit Vorliebe direkt darunter und wurden durch und durch nass, während die meisten Erwachsenen sich lediglich Arme oder Beine kühlten. So würde sie es auch machen. Sie stellte sich in der richtigen Entfernung auf und wartete. Das Wasser kam. Daisy machte sich die Hände nass und fuhr sich damit über Hals und Nacken. Oh, hurra, wie erfrischend! Sie wartete geduldig, und nach einer kurzen Pause folgte ein neuerlicher Wasserschwall. Als sie ihre Schuhe abstreifte, um sich die Füße zu kühlen, fühlte sie plötzlich, wie sich Octaves Arme um sie schlangen, während er mit ihr geradewegs in den Wasserstrahl hineinmarschierte, sie gegen die Wand drückte und sie mit überraschender Heftigkeit küsste.
9
Isabelle
An einem regnerischen Septembernachmittag tauchte Isabelle, in ihren Regenmantel gehüllt und mit Jules’ gigantischem schwarzen Schirm ausgerüstet, aus dem U-Bahnhof Hampstead auf. Nachdem sie noch einmal ihren Stadtplan zurate gezogen hatte, öffnete sie den Schirm und marschierte zuversichtlich in die ungefähre Richtung des Hampstead Heath, auf der Suche nach den wuseligen kleinen Straßenbiegungen, die sie zu Lucy Goussays Haus führen
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