High Heels und Gummistiefel
gewöhnliche Paris voller Großstadtmenschen, die ihren eigenen Geschäften nachgingen, und dann fand man sich plötzlich in Saint-Tropez wieder. Hier wimmelte es nur so von durchgestylten Strandmiezen in Dior-Badeanzügen, die nach Kokosnussöl rochen. Aber eigentlich, dachte Daisy, war das hier besser als Saint-Tropez: Es war Paris Am Meer.
Wenn man sich umblickte, wusste man ganz genau, wo man sich befand. Man konnte den Louvre und die Île Saint-Louis sehen. Unter der Brücke waren Graffiti-Künstler und Skateboarder zugange. Auf der Pont Saint-Louis gab eine Gruppe Musiker in gestreiften Pullovern Akkordeonmusik der 30er Jahre zum Besten. Daisys Musical-Fantasie nahm von Neuem Gestalt an.
Dann klingelte Agathes Handy; es gab einen kurzen Schwall dramatischer Musik von sich, bei dem es sich, wie sie Daisy erklärt hatte, um Wagners »Walkürenritt« handelte.
»Allo? ... Près du petit café. Et vous êtes où? Ah oui! Schau mal, Daisy, da drüben!«
Agathe begann zu winken. Eine Gruppe vertrauter Gestalten kam auf die Stelle zu, wo sie und Daisy saßen. Daisy erkannte Agathes Freundin Claire (die hochmütige, dunkelhaarige junge Frau, die jene erste Party veranstaltet hatte) und ihre kleine Schwester Amelie, die in ihrem Kittelkleid geradezu schmerzhaft unsicher wirkte. Eindeutig war das Kleid in dem Versuch gewählt worden, ihren Babyspeck zu kaschieren. Hinter den beiden kam Isabelles Freund Clothaire, und Bertrand, Stanislas und Octave bildeten den Schluss.
»Salut.« Claire küsste Daisy flüchtig und betrachtete sie von oben bis unten. »Ist das nicht dein Bikini, Agathe, der von Princesse Tam-Tam?«
»Ja«, bestätigte Daisy. »Wir haben uns ganz plötzlich entschieden herzukommen, und Agathe hat ihn mir geliehen. Er ist hübsch, nicht wahr?«
Claire sah immer noch Agathe an. »Es ist nur, an Daisy sieht er so anders aus.«
»Aber Daisy ist ja auch viel...« Stanislas stockte und dachte scharf nach. »Sie ist pulpeuse.«
»Was heißt pulpeuse?«
»Das heißt, du bist, heu .« Bertrand lächelte und nahm die Hände zu Hilfe, um eine Sanduhr-Figur anzudeuten. »So. Bien roulée, quoi.«
Daisy wollte schon fragen, was das bedeutete, überlegte es sich jedoch anders. Clothaire starrte vor sich hin und sah gelangweilt aus. Octave, der eine Sonnenbrille trug, hatte sich von der grellen Sonne abgewandt und überprüfte die Nachrichten auf seinem Handy.
»Ja, nun, sie ist viel fülliger als Agathe«, schloss Claire trocken, streifte ihre Jeans ab und enthüllte einen eleganten schwarzen Badeanzug. Eine Pause entstand, während die Männer zu den blau-weiß gestreiften Zelten hinübergingen, um sich umzuziehen.
»Eigentlich bin ich ja neidisch auf Daisys Figur«, bekannte Agathe, als Claire und ihre Schwester, nunmehr beide im Badeanzug, sich neben ihnen niederließen. »Es muss schön sein, richtig große Brüste zu haben.«
»So groß sind sie doch gar nicht«, wehrte Daisy ab und zerrte in dem Versuch, mehr von ihrem Busen zu bedecken, an dem Dreiecks-Oberteil. »Dein Oberteil sitzt bei mir einfach ein bisschen knapp.«
»Hmmmm«, ließ sich Claire hinter ihrer Sonnenbrille vernehmen. Sie lag auf dem Bauch und fing an, die Marie-Claire durchzublättern.
Wieder entstand eine Pause. Die vier jungen Männer kamen mit Badehosen bekleidet zurück. Alle machten sich ernsthaft ans Sonnenbaden. Als sie bemerkte, dass Amelie eine französische Übersetzung des letzten Harry-Potter-Bandes las, begann Daisy, mit ihr darüber zu plaudern. Zum Glück wusste sie alles, was es über Harry Potter zu wissen gab, da Jules sie praktisch mit vorgehaltener Pistole gezwungen hatte, sämtliche Bände zu lesen. Zuerst war Amelie schüchtern, bald jedoch fragte sie Daisy mit leiser, sehnsüchtiger
Stimme, ob sie auch auf eine Schule wie Hogwarts gegangen sei.
»Eigentlich nicht. Ich war nicht im Internat. Aber wir hatten Schuluniformen.«
»Oh, das ist ja toll! Ich hätte so gern eine englische Schuluniform. Welche Farbe?«
»Ehrlich gesagt war sie potthässlich. Braun mit orangefarbenen Paspeln. Ich habe meine leidenschaftlich gehasst.«
»Habt ihr wirklich ein Spiel wie Quidditch gespielt? Ohne zu fliegen, natürlich.« Amelie gab sich große Mühe, erwachsen zu wirken.
»Na ja, ja und nein... Hockey. Und außerdem Netzball. Ich fand’s immer ganz toll, wenn man sich dabei so auf einem Bein drehen musste...«, erzählte Daisy, machte es vor und schielte dabei aus den Augenwinkeln, ob Octave hersah. Er sah nicht
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