High Heels und Gummistiefel
würden. Miss Goussay war die Präsidentin der Quince Society, und Isabelle war unterwegs zu ihrer ersten Zusammenkunft. Als sie das Haus am Ende einer von Bäumen gesäumten Straße erreichte, fiel ihr ein schlammbespritzter Land Rover auf, der davor parkte. Wie merkwürdig. Es war schwer, sich vorzustellen, dass eine alte Dame so ein Auto fuhr. Isabelle sah auf die Uhr, um sich zu vergewissern, dass sie weder zu früh noch zu spät dran war, sondern genau pünktlich kam. Dann, als sie rasch die paar Stufen zur Tür hinaufstieg und dabei ihren Regenschirm ausschüttelte und ihn zusammenklappte – der Mechanismus klemmte ein wenig -, lief sie unversehens in jemanden hinein, der genau in diesem Moment aus dem Haus kam. Sie ließ den Schirm fallen, und derjenige, mit dem sie zusammengestoßen war, hob ihn auf.
»Ach, verflixt, tut mir leid«, beteuerte er geistesabwesend. »Ich fürchte, ich habe Sie nicht gesehen. Alles in Ordnung?«
»Ja, natürlich. Das macht doch nichts.«
Der Fremde, der eine Hornbrille trug und auf dessen glattem blonden Haar ein brauner Filzhut saß, war außerdem mit einer
von diesen grünen englischen Wetterjacken bekleidet, deren Name, wie Isabelle wusste, ein bisschen wie Babar klang – aber so hießen sie nicht.
»Ich fürchte, ich hab’s ein bisschen eilig«, sagte er. »Aber Sie sind sicher, dass nichts passiert ist?«
Isabelle nickte. Eigenartigerweise steckten anscheinend drei Spielkarten in seinem Hutband, wie sie feststellte. Sie konnte nicht genau erkennen, was für welche, allerdings glaubte sie, Herz, Karo und Pik ausmachen zu können.
»Na, also dann, Wiedersehen«, sagte er. »Ich muss wirklich los.« Irgendwie zerstreut sah er Isabelle an. »Ich hoffe, Sie haben Spaß bei dem Treffen. Die sind ganz in Ordnung, wirklich. Sie werden sehen.«
Damit reichte er ihr den zusammengeklappten Regenschirm, ging die Stufen hinunter und strebte auf den Land Rover zu. Isabelle sah ihm nach. Er trug Jeans, die er in schlammige Gummistiefel gestopft hatte. Was für ein sonderbarer Mensch, dachte sie. War er vielleicht ein Mitglied der Society? Wenn ja, warum lief er dann davon, wenn das Treffen gerade anfing? Es war seltsam. Bestrebt, nicht zu spät zu kommen, verdrängte Isabelle den Fremden aus ihren Gedanken und drückte auf die Klingel. Gleich darauf vernahm sie aufgeregtes Geplapper im Innern des Hauses, und die Tür wurde von einer schon etwas betagteren Dame geöffnet, die eine dunkel getönte Brille trug. Ihr ziemlich kurzes Haar leuchtete in einem Violett, das in der Natur gemeinhin nicht vorkam.
»Ja?«
»Guten Tag«, sagte Isabelle höflich. »Ich komme wegen des Treffens der Quince Society. Mein Name ist Isabelle Papillon.«
»Oh, wie wunderbar! Sie sind die französische Gelehrte! Kommen Sie doch herein!«
Die lilahaarige Lady packte Isabelle am Arm und zog sie hinein.
Eine andere, stämmigere Dame mit grauen Locken und dem Aussehen eines verschüchterten Schafes stand im Flur. Eine davon musste die Gastgeberin sein, dachte Isabelle, während ihr höchst effizient Mantel und Schirm abgenommen wurden, aber welche?
»Hallo, meine Liebe«, sagte die Schafdame, »und herzlich willkommen! Ich bin Wendy!«
»Und ich bin Maud«, stellte die Lilahaarige in einem Ton klar, der keinen Widerspruch duldete. »Kommen Sie, wir stellen Ihnen den Rest der Bande vor.«
Sie geleiteten Isabelle in ein Zimmer, in dem sich mehrere Menschen um ein großes, in braunes Packpapier gewickeltes Paket drängten. Alle blickten auf, als Isabelle eintrat.
»Das hier ist Miss Peppy-on«, verkündete die Dame namens Maud. »Fern Goody kennen Sie ja wohl, denke ich, aus der Buchhandlung.« (Fern bedachte Isabelle mit einem enthusiastischen kleinen Winken und formte mit den Lippen das Wort »hallo.«) »Und das daneben ist Peter Holland.« (Ein graubärtiger Mann, der aussah wie ein Erdkundelehrer.) »Das ist Selina Dexter.« (Eine kleine, runde Frau mit Topfhaarschnitt, die eine Art bodenlangen Poncho trug.) »Und ihre Schwester Roberta. (Ähnliche Figur und ähnlicher Haarschnitt, aber sie trug einen grünen Jersey-Hosenanzug und strickte mit zahlreichen verschiedenen Sorten Wolle an irgendetwas Kompliziertem.) »Herbert und Emily Merryweather.« (Ein strahlendes Ehepaar, das große Ähnlichkeit mit betagten Eichhörnchen hatte.) »Wendy und mich haben Sie natürlich schon kennengelernt. Und das hier ist Lucy, unsere Präsidentin.«
Lucy war eine dünne, drahtige Dame mit scharfen blauen Augen
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