High Heels vs. Turnschuh (German Edition)
Essen auf der Couch ausruhte.
Natürlich kannte ich aus meinen früheren Ratgebern, von Frauen für Frauen, wie das Leben so spielen kann, aber dass es wirklich so knüppeldick kommt, wurde verschwiegen. Ich hatte diese Bücher extra gelesen um vorbereitet zu sein und um alles anders machen zu können. Aber dass der Prozess langsam und schleichend, wie ein Indianer auf Kriegspfad, kommen würde, hat auch niemand erwähnt. Wie kann man sich vorbereiten, wenn man nicht mal merkt, was vor sich geht? Jetzt steh ich mitten auf dem Kriegsschauplatz und kann mich nicht erinnern, wie ich hierhergekommen bin.
Ich fühlte mich gestresst, nicht beachtet und nebensächlich.
Das schlimme daran ist aber, dass heute jeder seinen eigenen Stress bekommt. Es gibt Managerstress, Existenzstress für Geringverdiener, Schulstress, Arbeitsstress, Liebesstress, Freundschaftsstress, Stress für Karrierefrauen – wirlich jeder bekommt seinen eigenen Stress und die entsprechende Behandlung dazu , nur ich als Hausfrau, Mutter und Ehefrau nicht.
»Warum machst Du nicht ein bisschen Joga? Das würde gut tun. Das machen doch alle Frauen, oder?«, fragte mich Chris.
Wenn ich das schon höre. Mach ich die Katze, fühlt sich Julian dazu aufgefordert, auf meinen Buckel, dem Pferdchen die Sporen zu geben, mach ich den Baum, hängt er sich an meine Äste. Das macht keinen Spaß. Ja, ich bin ehrlich, wenn Julian abends endlich im Bett liegt, bin ich zu faul und hab auch keine Lust mehr. Und auf die Kommentare von Chris, wenn er nach der Arbeit zum Essen Heim kommt, kann ich auch dankend verzichten.
»Nehmen Sie sich immer wieder mal Zeit für sich«, stand in diesen Ratgebern geschrieben. Ja ja, aber es steht nicht geschrieben, dass danach wieder alles aufgearbeitet werden muss, was dann so liegen bleibt.
Fragen nach meinem Tag vermied Chris, denn mit meinen Hobbys wie Wäsche waschen, Kind füttern oder den Boden wischen konnte er einfach nichts anfangen.
So blieben wir immer öfter stumm nebeneinander sitzen und starrten solange in die Glotze bis wir ins Bett gingen. Auch dort lagen wir sittsam nebeneinander und stellten uns schlafend.
Aber bald ist mein Tag! Ich werde geehrt und bekomme die Anerkennung, die ich verdiene. Meine Gedanken kreisten um diesen Tag und ich freute mich darauf, denn noch war ich der Meinung, dass eben dieser Tag etwas besonders werden würde. Vielleicht konnte ich mit Melli Wellness machen, mit anschließendem Mädelsabend und Prosecco?
Ich kann mich noch gut an die Muttertage erinnern, als ich noch ein kleines Mädchen war. Die Familie machte an diesem Tag immer einen besonders schönen Ausflug und ging dann zum Essen. Meine Mutter bekam Blumen und alle strahlten. Das war schön. Nur einmal feierten wir Muttertag ohne sie. Ich glaube, damals hatte sie starke Kopfschmerzen und so schickte sie uns alleine los um sie hochleben zu lassen. Die Arme verbrachte den ganzen Tag allein und als wir abends wieder nach Hause kamen, waren ihre Kopfschmerzen verschwunden. Sie lächelte uns entgegen und wir freuten uns, dass es ihr besser ging. Heute könnte ich nicht beschwören, ob es vielleicht nicht nur eine Ausrede meiner Mutter war, um endlich mal einen ganzen Tag allein verbringen zu können.
Oh mein Gott, plötzlich wurde mir bewusst, dass es bei mir nicht anders werden würde. Die ganze Familie auf Ausflugstour, also so wie fast jeden Sonntag auch. Nur musste ich nicht kochen, da ich netterweise zum Essen eingeladen wurde. Verdammt noch mal, das wollte ich auf gar keinen Fall. Ich würde mit Chris sprechen müssen.
«Du Schatz», setzte ich mit unschuldigem Blick an. «Es ist doch bald Muttertag. Ich würde gern mit meiner Freundin einen drauf machen. Wir wollen erst gemütlich essen gehen und dann ein bisschen feiern».
Wiedermal sah er mich verwirrt an. Manchmal frage ich mich, ob man diesen Blick lernen kann. Ich glaube, ich sollte mich mal damit befassen, damit ich bei nächster Gelegenheit ebenso reagieren konnte. Sicherlich lustig, wenn wir uns dann beide verwirrt in die Augen sahen. Jeder Familientherapeut hätte hieran sicherlich seinen Spaß.
»Sag mal, hast du schon etwas von Tradition gehört?«, setzte er zum Angriff an. »An Muttertag trifft sich die Familie und unternimmt etwas zusammen. Denkst Du denn immer nur an dich?«
Ich verzog das Gesicht. Soso, traditionell versammelt man also die Familie um sich und ist glücklich darüber, dass alle gekommen sind. So wie an Ostern, an Pfingsten, an
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