Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
und ihm selbst Bescheid wussten, dann ließen sie nichts darüber verlauten.
Leticia war durchaus kein Einzelfall. Schon früher hatten Frauen sich verkleidet, um ihren Männern zu folgen oder auf Abenteuer auszuziehen. So hatte Alexander von einer Frau gehört, die sich in das Regiment von Montgomery eingeschrieben hatte und demaskiert worden war, als man Maß für ihre Uniform genommen hatte. Man hatte die Unglückliche ohne Rücksicht ausgezogen und um die Männerkleider gewürfelt, die sie getragen hatte, um sich für den Whisky, den sie getrunken hatte, schadlos zu halten. Leticia hatte Glück gehabt.
»Ich werde nicht mit euch gehen, MacCallum. Endlich habe ich ein Ziel, und dieses Mal werde ich ausnahmsweise nicht davonlaufen. Anschließend werde ich überlegen, was ich anfangen soll.«
»Wie starrköpfig du sein kannst! Das ist vollkommen idiotisch. Was für ein Ziel soll das sein? Und was versuchst du zu demonstrieren? Dein Geschick und deinen Mut hast du in Louisbourg und in Stanwix mehr als einmal unter Beweis gestellt. Was willst du noch mehr? Willst du diesen Krieg ganz allein gewinnen?«
Er lachte. Der Steuermann brüllte seine Befehle. Die große Insel kam näher. Heute Nacht würden sie alle auf festem Boden schlafen. Die junge Frau hatte die Ellbogen auf die Reling gestützt und schmollte. Alexander hatte sich in letzter Zeit Evan und Leticia angeschlossen. Die Liebe, die er der jungen Frau entgegenbrachte und die zu Beginn rein fleischlicher Natur gewesen war, hatte sich während der gemeinsam verbrachten Wochen und Monate still und leise in Freundschaft verwandelt. Er hatte schon lange keine Beziehung zu einer Frau mehr gehabt, die nichts mit körperlicher Liebe zu tun hatte. Leticia war für ihn inzwischen so etwas wie eine Schwester und erinnerte ihn auch ein wenig an seine Nichte Marcy. Die liebe Marcy – möge Gott ihrer Seele gnädig sein – hatte nicht lange genug gelebt, um von dem Entsetzen von Culloden zu hören oder die schwere Zeit, die darauf gefolgt war, mitzubekommen.
Mit einem Mal machte sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengrube breit. Würde er sich ebenfalls, so wie Cumberlands Männer, in eine blutrünstige Bestie verwandeln, die völlig unbekümmert die Befehle zur Ausrottung eines Volkes ausführte? Die Einnahme von Louisbourg hatte ihn kalt gelassen. Das war nur ein Fort mitten im Nirgendwo gewesen, das von einer Armee gehalten wurde und in dessen Nähe ein einziges Fischerdorf lag. Wie viele Zivilisten hatten dabei wohl ihr Leben gelassen? Sehr wenige jedenfalls … Aber Québec, die Hauptstadt von Neufrankreich, beherbergte mit Sicherheit Tausende von Zivilisten. Hier ging es nicht länger um eine einfache Verteidigungsbastion, sondern um ein Verwaltungs- und Handelszentrum, das von großer Bedeutung für die Kolonie war. So viele unschuldige Menschen…
Mit einer Handbewegung verscheuchte Alexander seine düsteren Gedanken. Er hatte einen Krieg zu führen; um ihn zu gewinnen, durfte er sich nicht mit Gefühlsduseleien aufhalten. Diese Lektion hatte er zu seinem eigenen Schaden gelernt, vor langer Zeit auf der Ebene von Drummossie Moor. Lässig legte er Leticia eine Hand auf die Schulter. Dann wurde er sich plötzlich seiner Geste bewusst und zog sie sofort zurück. Die junge Frau wandte ihm ihr ernstes Gesicht zu. Eine einzige Träne bildete sich in ihrem Augenwinkel, doch darin lag ein ganzer Ozean voller Kummer.
»Du wirst mir fehlen, Alexander …«
Die Offiziere der Landungstruppen hatten ihre Posten eingenommen und befahlen den Soldaten jetzt, sich in Reih und Glied aufzustellen. Die Prince Frederick ging vor Anker.
Es war heiß, sehr heiß. Das unablässige Zirpen der Grillen, die Rufe der Wilden, die sich miteinander verständigten, und die Stechmücken, die sie umschwirrten, trieben die englischen Soldaten schier in den Wahnsinn. Alexander, der in der Deckung eines Erdhügels lag, litt furchtbar unter der immer gleichen, gnadenlosen feuchten Hitze und konnte nur daran denken, seinen Rock auszuziehen. Seine verschwitzten Hände glitten an seinem glatten Gewehr ab. Ständig musste er sich die Handflächen an seinem Kilt abwischen. Schweißtropfen perlten auch unter seinem Barett hervor, liefen über seine Stirn und brannten in seinen Augen, so dass er immer wieder blinzeln musste.
Neben ihm kauerte Evan und bewegte sich unruhig hin und her. Einige Schritte hinter ihnen war das schwere Atmen von Leticia zu vernehmen, die versuchte, die
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