Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Campbell hatte vor Louisbourg seinen Dolch verloren und Alexander gebeten, ihm für ein paar Tage den seinen zu leihen, so lange, bis der Waffenschmied ihm einen neuen angefertigt hätte. Der junge Mann hatte getan, wie ihm geheißen: Zum einen disputierte man nicht über die Befehle eines Offiziers, und zum andern war dies eine vollkommen banale Leihgabe gewesen. Fünf Tage später allerdings fand man in den Wäldern in der Umgebung von Stanwix einen Korporal, in dessen Leib diese Waffe steckte. Durch den eigentümlich geschnitzten Griff war der Besitzer des Dolchs rasch gefunden, und Alexander wurde des Mordes angeklagt und unter Arrest gestellt. Campbell blieb vier Tage lang unauffindbar, und man begann zu vermuten, Soldat Macdonald hätte den Sergeanten ebenfalls ermordet und sich dann der Leiche entledigt, wozu er bei dem anderen Opfer keine Zeit mehr gehabt hatte.
Doch im Morgengrauen des fünften Tages kehrte Campbell endlich ins Fort zurück. Er befand sich in einem jämmerlichen Zustand und erklärte vor dem Kriegsgericht, Korporal Niel Mackenzie und er seien einem Überraschungsangriff der Eingeborenen zum Opfer gefallen. Was den Dolch anging, so bestätigte er die Aussage des jungen Soldaten, ihm die Waffe geliehen zu haben, und erläuterte, einer der Wilden habe sie ihm entrissen, um damit seinen unglücklichen Kameraden zu töten. Man habe ihn gefangen genommen und durch die Wälder gen Norden verschleppt. Doch eines Abends, als die Rothäute betrunken waren, habe er die Gelegenheit zur Flucht genutzt. So war er mit drei Skalps ins Fort zurückgekehrt. In diesen Kriegszeiten besaßen solche Trophäen, die man bei Eingeborenen oder bei herumirrenden Akadiern erbeutete, die versuchten, in ihre Heimat zurückzukehren, großen Wert, und die Männer besserten damit ihren Sold auf.
Als sie die Holzhütte verließen, in der die Verhandlung stattgefunden hatte, war Roderick Campbell mit einem verschlagenen Lächeln auf den Lippen auf Alexander zugetreten. »Da hast du aber Glück gehabt, Macdonald! Fast wärest du gehängt worden, ehe ich aus …« Doch er unterbrach sich. »Beim nächsten Mal, Sergeant«, hatte Alexander einfach geantwortet, »würde ich Euch bitten, Euch den Dolch eines anderen Soldaten zu leihen. Der meine scheint Euch Unglück zu bringen.« Dann hatte der junge Mann die Hacken zusammengeknallt und war zu seinen Kameraden gegangen, die auf ihn warteten und mit ihm seine Rettung feiern wollten.
Alexander war klar gewesen, dass Campbell Mackenzie ermordet und die ganze Geschichte über den Angriff der Wilden erfunden hatte. Manche Soldaten beschäftigten sich in ihrer Freizeit mit Fallenstellen und verkauften den Lohn ihrer Mühen an Pelzhändler, die in der Region Handel trieben. Mackenzie hatte auch zu ihnen gehört. Er war sehr geschickt gewesen, hatte seine Fallen an den richtigen Stellen aufgebaut und so eine große Menge schöner Felle zusammengebracht. Ganz offensichtlich hatte Campbell ihn aus Habgier getötet. Doch Alexander hatte lieber geschwiegen: Er war mit knapper Not dem Strick entronnen, und ohnehin besaß er keinerlei Beweise. Am besten behielt er den Sergeanten genau im Auge.
Im März 1759 erreichte das Fort endlich der Befehl, wieder in See zu stechen. General James Wolfe hatte entschieden, dass das Regiment der Fraser Highlanders unter den ersten Brigaden der Armee sein sollte, die versuchten, Québec einzunehmen. Die Männer würden unter dem Kommando von Brigadegeneral Robert Monckton stehen, desselben Mannes, der Tausende Akadier hatte deportieren lassen.
Nach einem langen, beschwerlichen Marsch durch den Schnee, der ihnen an vielen Stellen bis zur Taille reichte, hatten Alexander und seine Landsleute New York erreicht und sich auf der Fregatte Nightingale eingeschifft. Mitte Mai hatten sie die Küste von Akadien gesichtet und einen Aufenthalt in Halifax eingelegt, wo sie noch einmal gründlich geschliffen worden waren. Schließlich waren sie mit Wolfes imposanter Flotte am 4. Juni erneut in See gestochen, um den endgültigen Sieg über die Franzosen zu erringen.
Die Ellbogen auf die Reling gestützt, sah Alexander zu, wie Seeleute und einige Soldaten Angelleinen auswarfen. Sie hofften, ein paar Fische zu fangen, von denen es hieß, sie seien in diesem Fluss besonders groß. Aber war hier nicht alles überdimensional? Sein Blick schweifte nach Backbord. Die mit achtundzwanzig Kanonen bewaffnete Fregatte Trent durchkreuzte die Wogen im selben Rhythmus wie die Prince
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