Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Lippe biss. Kaum vermochte er zu glauben, dass dies wirklich geschah. Träumte er vielleicht noch? Doch die Empfindungen, die er spürte, waren vollkommen real, und der Körper, den er streichelte und gleich in Besitz nehmen würde, war es ebenfalls.
Leticia presste ihr Becken fest gegen seines. Die Lust kam zu schnell, war aber so intensiv, dass sie ihm den Atem nahm. Keuchend ließ Alexander sich auf die junge Frau sinken und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. Mit einem Mal stand ihm wieder das grauenvolle Bild von Evans Leiche vor Augen. Vergeblich versuchte er es zu verdrängen. Evan verfolgte ihn; er war sein Freund gewesen, und jetzt hatte er seine Frau genommen, noch ehe sein Körper ganz erkaltet war. Oh, Leticia … Warum hatte sie das bloß getan?
Die Trommel hallte in Alexanders Kopf wider wie fernes Donnergrollen. Mühsam schlug der junge Mann die Augen auf; es war noch dunkel. Sein feuchtes Hemd machte sich unangenehm bemerkbar, und der Wollstoff seines Plaids kratzte. Er fluchte über das schlechte Wetter. Es regnete leicht, was den Bau der Befestigungsanlagen und Artilleriestellungen, den Wolfe befohlen hatte, noch erschweren würde.
Nachdem er sich die Augen gerieben hatte, drehte er sich auf den Rücken. Die vertrauten Geräusche des Lagers drangen zu ihm: die eiligen Schritte von Soldaten vor dem Zelt; das Gezeter der Küchenjungen; die Stimmen der Offiziere, die ihre Adjutanten zurechtstauchten … Eine Kuh versuchte ein wenig Ordnung in diesen Radau zu bringen und brüllte laut. Doch das führte nur zu einem Streit zwischen zwei Soldaten darüber, wer sie melken sollte. Nach und nach erwachte rund um das Zelt alles zum Leben. Zugleich fiel ihm wieder ein, was geschehen war: Leticia …
Sie waren eng umschlungen eingeschlafen … Abrupt setzte er sich auf und sah sich nach ihr um. Da saß sie, auf Evans Lager. Sie war vollständig angezogen, hatte sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgekämmt und sah ihn an. Nichts an ihrer Miene verriet, was sie dachte. Verlegen warf er einen Blick in die Runde. Munro lag noch auf seinem Strohsack, drehte ihnen den Rücken zu und brummte etwas vor sich hin. Finlay Gordon war schon hinausgegangen.
»Ich habe hier geschlafen«, flüsterte die junge Frau, die erriet, was er fürchtete.
Sie hatte ihn geliebt, aber sie hatte bei Evan geschlafen. Alexander schluckte und nickte dann.
»Ja, ich verstehe … So ist es besser.«
Sie zog die Knie unter das Kinn, und der Kilt rutschte zurück und enthüllte die blasse Haut ihrer muskulösen Schenkel. Sie sollte vorsichtiger sein! , dachte er. Ein Mann würde niemals diese Haltung einnehmen! Er fragte sich, wie es ihr gelungen war, die Männer der Kompanie so lange zu täuschen. Sicher, es ist normal, wenn ein sechzehnjähriger Knabe, der zur Armee geht, bartlos ist und zarte Züge besitzt. Die runden Hüften wurden durch den Kilt verborgen. Doch seitdem waren zwei Jahre vergangen, und ihre Wangen und Beine waren glatt und haarlos geblieben. Das musste bei den anderen Soldaten doch Zweifel säen.
Alexander wurde klar, dass die junge Frau die Armee so rasch wie möglich verlassen musste. Er wagte sich nicht vorzustellen, welche Demütigungen sie auszustehen hätte, wenn sie entlarvt würde. Die Offiziere würden ihr die Täuschung ganz bestimmt hundertfach heimzahlen. Andererseits, was sollte aus ihr werden, nachdem sie desertiert war?
Er besaß ein wenig Geld und konnte sich beim Kartenspielen immer ein paar Shilling dazuverdienen. Ja, er würde ihr seine wenigen Ersparnisse überlassen. Außerdem musste er Lebensmittel für sie auf die Seite bringen… sogar stehlen, falls das notwendig sein würde.
»Macdonald!«, brüllte jemand.
Alexander fuhr zusammen. Die Zeltklappe wurde zurückgeschlagen, und das frisch rasierte Gesicht von Sergeant Campbell erschien in der Öffnung. Der junge Mann erstarrte.
»Ja, Sergeant?« »Leutnant Campbell von Glenlyon möchte Euch sofort sehen. Ihr findet ihn dort, wo die Artilleriestellungen errichtet werden.«
»Sofort, Sir.«
Der Sergeant wollte schon wieder gehen, als er Leticia sah, die in einer Stellung, die für einen ungehobelten Soldaten merkwürdig war, dasaß. Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln, und seine halb geschlossenen Augen verbargen seinen durchdringenden und äußerst interessierten Blick nicht.
»Na, na, Soldat MacCallum, zieht nicht so ein Gesicht! Ihr werdet sehen, Ihr findet schon rasch wieder einen
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