Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
den 31. Juli und damit den sechsunddreißigsten Tag der Belagerung. Die Offiziere verbargen ihre Frustration nur mühsam; die Soldaten scharrten vor Ungeduld mit den Füßen. Wolfe, der von eigentümlichem, schweigsamem Naturell war, handelte stets nach seinem eigenen Kopf und zog niemanden zu Rate. Dabei hätte ihm das gutgetan, denn er schien nicht zu wissen, was er wollte.
Das Wasser schlug gegen das Boot, doch man hörte es kaum. Seit mehreren Stunden beschossen die vierundsiebzig Kanonen der Centurion und die achtundzwanzig der Three Sisters und der Russel die Redoute und die Schützengräben, um die Munitionsvorräte des Feindes zu erschöpfen. Das Schaukeln des Bootes und die große Hitze machten die Soldaten schläfrig. Leticia sackte der Kopf nach vorn. Alexander versetzte ihr einen Stoß gegen die Schulter, um sie zur Ordnung zu rufen. Die junge Frau fuhr hoch und presste die Lippen zusammen. Sie war blass. Wie schaffte sie es nur, diese infernalischen Temperaturen auszuhalten? Seit einer halben Stunde wippte Munro mit dem Bein, ein zermürbender Anblick.
»Wenn wir nicht bald an Land gehen, bepinkle ich mich«, murrte sein Cousin.
»Leg dir nur keine Zurückhaltung auf, mein Alter«, lachte Alexander, der langsam das gleiche Unwohlsein im Unterleib empfand. »Solange du nicht vor den Augen dieser bemalten Wilden deine Eingeweide entleerst …«
»Geh zum Teufel, Alas!«
»Still!«, knurrte Sergeant Campbell.
Alexander kniff die Augen zusammen, um sich vor dem grellen Licht, das vom Wasser reflektiert wurde, zu schützen. Zu seiner Rechten hatten Wasserfälle, welche die Felswand herunterstürzten, eine kleine Bucht gebildet. Eine Brigade Grenadiere erwartete sie am Ufer von Sault-de-Montmorency, gegenüber den französischen Verschanzungen. Wolfe hatte dort vor mehreren Tagen Batterien errichten lassen. Der junge Mann untersuchte das Ufer in der Umgebung der Redoute Johnstone und erblickte eine zweite, unmittelbar daneben. Von zwei Festungstürmen hatte man ihnen nichts erzählt … Wahrscheinlich, weil der zweite ein wenig hinter dem ersten zurücklag und von diesem verborgen wurde. In der Ferne vernahm man die Glocken von den Kirchtürmen der Stadt, die darum flehten, der Himmel möge sich des kanadischen Volkes erbarmen.
Aus dem hinteren Teil des Boots drang ein dumpfer Schlag zu ihm. Jemand fluchte. Ein Mann war einem Hitzschlag erlegen und ohnmächtig geworden. Der Offizier befahl, ihm Wasser ins Gesicht zu spritzen, um ihn aufzuwecken. Der Soldat kam wieder zu Bewusstsein und erbrach sich zwischen seine Beine.
»Ganz schlechte Zeit für einen Angelausflug!«, nörgelte Munro. »Da lässt man uns hier auf dem Wasser seit wer weiß wie vielen Stunden auf leiser Flamme köcheln, damit wir den französischen Mörsern lauschen können … Wenn dieser verflixte General es sich wieder anders überlegt, schneide ich ihm seine edlen Teile ab und stopfe sie ihm in den Hals …«
»Dazu musst du sie erst einmal finden!«, rief Finlay aus.
Munro lachte.
»So ist es … Herrgott! Das Wetter in diesem verfluchten Land ist wirklich launisch! Mal regnet es, dann scheint die Sonne. Bei dieser Hitze bekomme ich kaum Luft.«
»Hör auf zu jammern, Munro«, knurrte Coll freundlich. »In Schottland ist es auch nicht viel besser. Vielleicht erklärt das ja Wolfes Benehmen. Er hat sich zu lange dort aufgehalten.«
»Wenigstens ist die Luft dort frischer.«
»Tatsächlich? Was hast du dann hier zu suchen? Wieso bist du nicht in Schottland geblieben?«, verlangte Alexander in sarkastischem Ton zu wissen.
Zur Antwort erhielt er nur ein Grunzen. Erneut machte sich der junge Mann daran, ihre Umgebung zu inspizieren. Oben an der Steilküste nahm er die Bewegungen des Feindes in seinen Stellungen wahr. Er wusste, dass Tausende von Augen sie beobachteten und Dutzende von Kanonen auf sie gerichtet waren. Im Moment befanden sie sich glücklicherweise noch außer Schussweite.
Gegen zwei Uhr mittags erging endlich der Befehl zur Landung und wurde mit erleichtertem Seufzen quittiert. Das Boot glitt über das Wasser, stieß jedoch mit einem Mal auf ein Hindernis.
»Verdammt noch mal«, fluchte ein Offizier. »Was ist passiert?«
»Eine Klippe, Sergeant. Ein Riff, fürchte ich.«
»Alles anhalten! Sonst laufen wir noch auf Grund.«
Es dauerte noch gut eine Stunde, bis sie eine schiffbare Durchfahrt gefunden hatten. Der Himmel über den Booten bezog sich gefährlich, während sie versuchten, den feindlichen
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