Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Mund glitt auf ihre Wangen hinunter und weiter kühn zu ihren willigen Lippen. Die Dunkelheit warf einen immer tieferen Schleier über die Zerstörungen und ließ die jungen Leute mutiger werden. Über den Straßen der Stadt lag eine seltene Stille. Doch jeder wusste, dass diese Ruhepause nur ein Aufschub war. Bei Einbruch der Nacht würde der Beschuss unvermeidlich wieder aufgenommen.
»Wenn ich das Land verlassen müsste, würdet Ihr dann mit mir gehen, Liebste?«
Verblüfft über die Frage, löste Isabelle sich ein wenig aus der Umarmung des jungen Mannes, um ihn anzusehen.
»Aber wohin denn?«
»Ich meine … Ich bin Offizier in der Armee Seiner Majestät, des Königs von Frankreich. Ihr wisst, was das heißt, sollte es jemals so weit kommen … ich meine… dass ich ins Exil gehen müsste.«
Isabelle wurde das Herz schwer. Ein eigenartiges Unwohlsein ergriff die junge Frau, ohne dass sie einen Grund dafür hätte nennen können.
»Sprecht nicht vom Unglück, Nicolas.«
»Ich liebe Euch, Isabelle, und ich habe keine Ruhe, so lange ich nicht die Gewissheit habe, dass Ihr mir folgen würdet. Ich möchte, dass Ihr die Meine werdet. Wenn es Euch also nicht allzu sehr abschreckt, die Ehefrau eines Offiziers zu werden …«
Sein verliebter Blick flehte sie an. Ihr hatte es vor Erstaunen die Sprache verschlagen. Er bat sie, ihn zu heiraten? Hier, unter den Ruinen, inmitten von Schmerz und Elend? Und vor der Kathedrale, die vollständig zerstört war! Welche Glocken sollten denn bei ihrer Hochzeit läuten?
»Ihr… habt mich überrumpelt, Nicolas. Ich hätte nie gedacht … nun ja …«
Lange schaute er sie an und erforschte ihre Züge, um ihre Gefühle zu erkennen. Er hatte nicht das Ende dieses vermaledeiten Krieges abwarten können, wie er es sich gelobt hatte. Zu zerrissen war sein Herz. Und nun floh ihn die Hoffnung, die er so sehr genährt hatte. Der Zauber des Augenblicks war verflogen. Isabelle wusste es nicht, aber sie hatte ihm ihre Antwort bereits gegeben. Er zweifelte keinen Moment lang daran, dass sie ihm aufrichtig zugetan war. Doch er erwartete mehr, er wollte, dass sie seine Liebe wirklich erwiderte.
»Ich muss Euch verlassen«, erklärte er bedauernd und löste sich von ihr. »Ich werde erwartet, und ich komme bereits jetzt zu spät.«
»Ja, ich verstehe.«
»Versprecht mir, vorsichtig zu sein, Isabelle. Ich wäre viel ruhiger, wenn ich Euch fern von hier wüsste, aber …«
Einem jähen Impuls nachgebend, umarmte er sie noch einmal und küsste sie leidenschaftlich. Ob das wohl ihr letzter Kuss gewesen war? Er zog es vor, nicht darüber nachzudenken. Er hatte einen Krieg zu beenden und musste einen klaren Kopf behalten.
Das stolze Wappen, der Prunk der Macht
Und alles, was Reichtum und Schönheit schenken
Sind alles eins in der Erwartung der unausweichlichen Stunde.
Die Wege des Ruhms führen nur zum Grab. 44
Die Luft war frisch und der Fluss ruhig. Aschfarbenes Mondlicht glitzerte auf dem Wasser und übersäte die Ruder, die lautlos ein- und auftauchten, mit Reflexen. Vor ihnen ragte die Silhouette der Schieferwand hoch in den Himmel wie ein Festungswall, der sich ihrem Ansturm trotzig entgegenstellte.
Alexander saß unbequem zwischen Coll und Munro eingepfercht. Er hatte die Augen geschlossen und ließ seinen Geist über andere Flüsse treiben. Der Körpergeruch der in dem kleinen Boot zusammengedrängten Männer stieg ihm unangenehm in die Nase. Doch das war immer noch besser als der ekelhafte Gestank in dem Militärlazarett, das er vor etwas über zwei Wochen verlassen hatte.
Es hatte drei lange Wochen gedauert, bis sein Rücken so weit zusammengeheilt war, dass er seine Waffenübungen wieder hatte aufnehmen können. An manchen Stellen waren die Wunden so tief gewesen, dass man die Rippen hatte erkennen können. Die ersten Tage nach seiner Rückkehr zur Kompanie waren schwierig gewesen. Bei der geringsten Bewegung hatte sein Rücken so sehr geschmerzt, dass er sich den Tod gewünscht hatte. Er hatte das Gefühl gehabt, ihm würden Dutzende von Klingen auf einmal in den Körper gestoßen. Er hatte nur ein wenig Ruhe gefunden, wenn er abends vor Erschöpfung wie ein Stein eingeschlafen war und von Leticia geträumt hatte.
Still hatte er um die junge Frau getrauert, so wie er zuerst Connie und dann Kirsty beweint hatte. Nachdem sie fortgegangen war, hatte er sich geschworen, nie wieder zu lieben. Die Liebe brachte einem nur Schmerz und Enttäuschung ein. Während seiner
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