Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
erkannte sie ihren Vater. Sie sah nicht zu ihm auf, sondern senkte den Kopf und ließ ihren Tränen freien Lauf.
»Das ist das Ende!«, murmelte sie, und dann versagte ihr vor Schluchzen die Stimme.
Es war ungefähr halb zehn Uhr vormittags. Reglos und schweigend sah Alexander zu, wie sich vor ihnen im zaghaften Sonnenlicht die französischen Flaggen ausbreiteten. Zu seiner Rechten lagen die Steilküste und der Fluss; hinter ihm befand sich Bougainvilles Regiment, das sein Lager in Cap-Rouge aufgeschlagen hatte und sicherlich bald auftauchen würde. Dem jungen Mann wurde abrupt klar, dass seine Armee keinen Ausweg, nicht die geringste Möglichkeit für einen Rückzug hatte. Wolfe wusste das sicherlich; er hatte seine Truppen ja absichtlich hergeschickt. Dann sollte es eben so sein! Sieg oder Tod, etwas anderes gab es nicht für sie. Endlich würden sie in die Schlacht ziehen, die zu führen sie gekommen waren.
Die Kanadier beschossen sie aus dem Hinterhalt unaufhörlich und nutzten die Gelegenheit, sie wie die Fliegen zu fällen. Rechts von Alexander sank ein Soldat zu Boden, in den Schenkel getroffen. Rasch brachte man ihn weg und schloss die Reihen wieder. Um sinnlose Verluste zu vermeiden, befahl der Hauptmann ihnen, sich in Schussposition im Gras niederzuwerfen. Das Warten wurde unerträglich. Los, macht ein Ende! Der junge Mann hoffte nur, bis zum Angriff durchzuhalten.
Langsam verstrichen die Minuten; die Soldaten begannen zu murren. Die französischen Truppen nahmen jetzt unterhalb der Stadtmauern ihre Kampfformation ein. Weiter unten an der Straße brannte ein Haus: Der Gegner hatte es angezündet, um zu verhindern, dass sie sich dort verschanzten. Der graue Rauch zog bis zu ihnen und ließ ihre Augen tränen. Die Kanonen donnerten. General Wolfe ritt an ihnen vorüber, einen blutigen Verband um das Handgelenk gewickelt. Er legte einen unerschütterlichen Gleichmut an den Tag und musterte die Soldaten mit aufmerksamem Blick. Dann sprach er mit Hauptmann Macdonald, der anschließend den Dudelsackspieler rufen ließ.
Trommelwirbel. Der Dudelsack begann seine Melodie zu spielen. Einen kurzen Moment lang schloss Alexander die Augen. Eine tröstliche Wärme ergriff ihn und löste seine Anspannung. Die Takte des »Marsches von Lord Lovat« berauschten ihn und beschworen die Ehre seines Volkes. Er spürte eine große Kraft in sich aufsteigen.
Zehn Uhr. General Montcalm saß zu Pferde zwischen dem Regiment von La Sarre und dem von Languedoc. Er reckte sein Schwert zum Himmel, riss es dann wieder herunter und richtete es auf die feindlichen Reihen: das Signal zum Angriff. In mehr oder weniger geordneten Reihen taten die Soldaten einige Schritte voran. Die Trommeln, die Hörner und die Querpfeifen erzeugten eine furchteinflößende Melodie. General Wolfe ritt vor den britischen Linien auf und ab, um die Bewegungen der Franzosen zu studieren. Er hatte Order gegeben zu warten, bis der Feind mindestens auf vierzig Yards herangerückt war, und erst dann zu feuern.
»Auf Position!«, befahl der Offizier.
Alexander erhob sich und beobachtete, dass drei Fuß vor ihm ein junger Soldat sich auf einem Knie zusammenkauerte. Die Spitze seines Bajonetts bebte.
»Hey, MacDonnell!«
Die Schultern des Jungen zitterten, und das Gewehr fiel ihm beinahe aus den Händen.
»Das ist nicht der richtige Moment, um deine Eingeweide zu entleeren. Denk doch an die Kameraden hinter dir, die in deine Hinterlassenschaften treten müssten.«
Ein paar Männer quittierten seine Worte mit Gelächter. Alexander hatte sie vor allem ausgesprochen, um sich selbst zur Ruhe zu zwingen und die Fassung zu bewahren, weniger, um den Soldaten zu verspotten. Unsicherheit trieb ihn um. Er wusste, dass Roddie Campbell hier irgendwo sein musste, nicht weit von ihm entfernt. Auf einem Schlachtfeld hatte man den Feind nicht immer vor sich .
»Fertig?«, brüllte der Offizier.
Die französischen Soldaten rückten rasch und ungeordnet auf sie zu. Sie blieben nicht in Reih und Glied, sondern verstreuten sich über die ganze Ebene. Einige warfen sich, nachdem sie geschossen hatten, zum Nachladen auf den Boden, so dass die Nachfolgenden über sie stolperten. Alexander erschauerte. Diese Mischung aus Angst und Erregung, die in ihm aufstieg, überwältigte ihn und beherrschte seinen ganzen Körper.
»Anlegen!«
Alexander drehte sich ein Stück zur Seite, um ein weniger leichtes Ziel abzugeben. Sein Finger, der am Abzug lag, krümmte sich, während er kühl
Weitere Kostenlose Bücher