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Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Titel: Highland-Saga 03 - Schild und Harfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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unbekannten Weges die Eingeweide verknäult, dann konzentriere dich auf die Schönheit, und erfreue dich daran. Du trägst genug davon in dir. Carpe diem , vergiss das nicht. Das ist der Schlüssel zum Glück, zum wahren Glück, diesem grundlegenden Bedürfnis, das alle anderen bestimmt.«
    Als er sah, dass sein junger Schüler ein wenig verwirrt auf seine abstrakten Gedanken reagierte, griff der Alte zu einem konkreteren Beispiel, um ihm begreiflich zu machen, worauf er hinauswollte.
    »Sag mir, Alasdair, wenn es dir gelingt, eine meiner Zeichnungen wiederzugeben, wie fühlst du dich dann?«
    »Also … zufrieden mit mir vielleicht?«
    O’Shea umfasste die elende Gefängniszelle mit seinem klaren Blick.
    »Ein ziemlich seltsames Gefühl für diesen Ort, findest du nicht? Du müsstest verbittert sein, danach dürsten, Rache zu schreien und dem erstbesten englischen Soldaten, der sich blicken lässt, an die Kehle zu springen. Aber nein, es gelingt dir, ein paar Augenblicke lang froh zu sein! Beweist das nicht, dass Reichtum, Liebe, Freiheit und Ehre nicht wirklich die Instrumente sind, durch die man Glück erlangt? Sie spenden Freude, gewiss, und welcher Mensch suchte nicht nach ihnen? Doch sie sind keine Garantie für das wahre Glück, dessen Quelle allein in uns selbst zu finden ist. Die kleinen Dinge des Lebens bringen die großen Freuden, während die großen Leistungen nur ein flüchtiges Glück eintragen. Also vergiss nicht: Carpe diem! «
     
    Je mehr Zeit verging, umso unerträglicher wurden die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Gefangenen dahinvegetierten. Etwa vierzig Männer und Frauen teilten sich die Zelle und drängten sich, so gut sie konnten, an den Wänden. Die erzwungene Intimität brachte diejenigen, die sich noch einen Funken Würde bewahrt hatten, häufig in beschämende Situationen.
    Sie schliefen über- und untereinander, und es kam vor, dass Alexander plötzlich ein Arm oder ein Bein traf. Der Junge zog es dann vor, nicht zu protestieren, sondern sich an O’Shea zu schmiegen. Wenn er nicht wieder einschlafen konnte, lauschte er den nächtlichen Geräuschen und ließ den Blick durch die Dunkelheit schweifen. Um ihn herum brach sich das menschliche Elend in ersticktem Weinen oder unterdrückten Schreien Bahn. Manchmal vernahm er auch Keuchen.
    Alexander, der das Pubertätsalter erreicht hatte, wusste genau, worum es sich handelte, und wider Willen reagierte sein Körper auf diese Geräusche und ließ Bilder in ihm aufsteigen. Trotz der furchtbaren Bedingungen und der Verzweiflung gab es eines, dessen der Mensch sich nie enthalten konnte, nämlich die Liebe. In ihren flüchtigen Umarmungen suchten die zusammengepferchten Gefangenen sich zu vergewissern, dass sie immer noch Menschen waren.
    Ohne ihre Plaids, die ihnen die Soldaten weggenommen hatten, und nur mit ihren Hemden bekleidet, die nach und nach in Fetzen fielen, waren die mageren Gestalten beinahe nackt; lebende Gespenster im Vorzimmer des Fegefeuers. Jeden dritten Abend teilte man den Gefangenen eine Kohlepfanne und fünf Ballen Torf zu. Wasser bekamen sie selten, so dass sie es ausschließlich zum Trinken verwendeten. Der Schmutz, der sich auf ihren Körpern ansammelte, wurde zum Nährboden für alle möglichen Parasiten.
    Der Gesundheitszustand des Priesters verschlechterte sich. Seine Verletzung, die zu verbinden die Soldaten nicht für nötig gehalten hatten, hatte sich entzündet. Sein Schenkel, der angeschwollen wie eine aufgepustete Schweinsblase, mit der Kinder spielen, und schwarz wie Kohle war, bereitete ihm entsetzliche Schmerzen. Doch der Mann klagte nie und fuhr stoisch mit der Unterweisung des Knaben fort. Alasdair hatte den Wächter, der ihnen ihren ekelhaften Haferbrei brachte, überredet, ihm auch den Anteil des Priesters zu geben, der nicht mehr gehen konnte. So kippte man ihm jetzt eine doppelte Ration in seinen Hemdzipfel, die er dann mit seinem Freund teilte.
    Nachdem er ihm beim Essen geholfen hatte, bat er ihn, ihm Geschichten aus der keltischen Mythologie zu erzählen, in denen sich die Realität und das Übernatürliche vermischten. O’Shea, der vor Fieber glühte, dessen Geist aber immer noch so lebhaft und wach wie eh und je war, beugte sich seiner Bitte um des Vergnügens willen, seine Augen aufleuchten zu sehen. Oft gesellten sich andere Gefangene zu ihnen. Diese Art von Erzählungen zerstreuten die unglücklichen Menschen und wärmten ihnen für eine oder zwei Stunden das Herz. Alexander

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