Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
lauschte besonders gern den Geschichten über Krieger, deren Namen er in seiner Kindheit immer wieder gehört hatte. Er entdeckte in sich eine Leidenschaft für die Kultur der alten Kelten und sog alles Wissen, das sein Freund ihm übermitteln konnte, in sich auf. Alles, was mit dem legendären irischen Krieger Cuchulain zu tun hatte, fesselte ihn.
»Weißt du eigentlich, warum er so hieß?«, fragte ihn der Priester.
»Weil er ein so feuriger Kämpfer war?«
»Feurig war er, das stimmt. Aber daher kommt sein Name nicht. In den alten Zeiten hatte König Conchobhor Mac Nessa, der zu einem Festmahl bei dem Schmied Culann eingeladen war, einen jungen Mann, Setanta, gebeten, ihn zu begleiten. Er war ihm auf einem Spielfeld aufgefallen, weil er so geschickt mit dem Ball umging. Als der König bei dem Bankett eintraf, fragte ihn der Schmied, ob noch andere Gäste kämen. Der König, der seine Einladung gegenüber Setanta in letzter Minute ganz vergessen hatte, versicherte ihm, dass er niemanden mehr erwarte. ›Ich habe nämlich einen grimmigen Hund, der mein Vieh bewacht‹, erklärte Culann. ›Er ist mit drei dicken Ketten gefesselt, die von drei kräftigen Kriegern festgehalten werden. Jetzt lasse ich ihn los, und wir wollen die Tore schließen.‹ Doch in diesem Moment traf der junge Setanta ein, und der Hund stürzte sich mit aufgerissenem Maul auf ihn. Der späte Gast drückte ihm die Kiefer mit den Händen auseinander, schleuderte ihn gegen eine Steinsäule und tötete ihn auf der Stelle. Die Männer von König Conchobor liefen, alarmiert von dem Radau, herbei und konnten gar nicht genug über die außergewöhnliche Kraft des Jünglings staunen. Der Schmied allerdings war sehr unzufrieden, denn er hatte keinen Wachhund für sein Vieh mehr. Da erbot sich Setanta, die Stelle des Hundes einzunehmen, bis Culann einen neuen gefunden hatte. Und so kam es, dass Cathbhadh, der große Druide und Ratgeber des Königs, den mutigen jungen Mann Cù Chullainn nannte, den ›Hund des Culann‹.«
»Wie viele Schlachten hat er gewonnen? Ist er alt geworden?«
»Er hat in mehreren Kriegen gesiegt, ja, aber wie viele genau das waren, kann ich nicht sagen! Er war der größte Krieger Irlands, und niemand konnte ihm lange widerstehen, denn er besaß nicht nur körperliche, sondern auch geistige Kraft. Das ist sehr wichtig, um ein guter Krieger zu werden und keine Fehler zu begehen, die sich als verhängnisvoll erweisen können …«
Er unterbrach sich, als er Alexanders niedergeschlagene Miene bemerkte.
»Wie ich dir schon sagte, kann man alles erlernen. Aber niemand ist unfehlbar, nicht einmal Cuchulain war das. Er ist in einem Kampf gegen das Heer der Königin Medb gestorben; eine Lanze hat ihn durchbohrt. So hatte es die Fee Morrigane beschlossen, deren Annäherungsversuche er einst zurückgewiesen hatte. In der Stunde seines Todes setzte sie sich auf seine Schulter, und seine Feinde schlugen ihm den Kopf ab und tranken sein Blut. So war es damals Brauch; auf diese Weise bemächtigte man sich der Kräfte des Helden. Ulster sollte lange um ihn weinen.«
»Meine Großmutter stammte aus Ulster«, erklärte Alexander bestimmt.
»Ah! Dachte ich mir doch, dass in deinen Adern irisches Blut fließt, mein Junge. Aus welcher Stadt kam sie?«
»Belfast.«
»Hmmm … Béal Feirst 18 .«
»Mein Großvater hat mir erzählt, dass man sie einst Babd Dubh nannte …«
»Die schwarze Krähe. Eine Kriegsgöttin, welche die Krieger im Kampf entweder mit Mut oder mit Furcht erfüllen konnte. Alasdair Dhu, bist du etwa der Enkel einer irischen Gottheit?«
Sie lachten gemeinsam. Dann streckte O’Shea sich erschöpft auf dem Boden aus. Mit seinem langen weißen Bart ähnelte er eher einem Druiden als einem entlassenen Priester. Alexander, der glaubte, sein Freund wolle sich ausruhen, streckte sich neben ihm aus, um ihm ein wenig von seiner Wärme zu spenden. Erneut erklang die vor Schmerz gepresste Stimme in seinen Ohren.
»Verstehst du … all diese Mythen enthalten einen wahren Kern. Sie sind das Erzeugnis von Generationen von Erzählern, die mündlich die Geschichte ihres Volkes überliefern und nach eigenem Dafürhalten Einzelheiten hinzufügen, um sie zu verschönern und dem Gedächtnis einzuprägen. Ob die Ungeheuer und die Götter wirklich existiert haben? Natürlich. Auch du hast deine eigenen Monster, und du verehrst deine eigenen Götter, Alasdair. Es sind deine Ängste und deine Ideale, die hinter deinen Gespenstern stecken.
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