Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
sie mit einem nicht zu deutenden Gesichtsausdruck an.
»Ich habe gestohlen«, versetzte er.
»Gestohlen?«
Sie begriff, dass er ihr erklärte, warum er ausgepeitscht worden war. Er hatte gestohlen … nichts weiter!
»Essen«, fuhr er fort und schlug die Augen nieder.
»Alex … du brauchst mir nicht …«
»Für eine Frau, Isabelle.«
Sie verstummte und starrte ihn verblüfft an.
»Eine … Frau?«
Er nickte.
»Sie war als Soldat in das Highlander-Regiment eingetreten, um ihrem Mann zu folgen. Doch er ist bei der Einnahme der Kirche von Point Levy von einem Indianer getötet worden, und sie hatte niemanden mehr, der für sie sorgte. Sie war schwanger und musste die Armee verlassen. Ich wollte ihr helfen …«
»Und du hast dich erwischen lassen?«
»Hmmm… mehr oder weniger, ja.«
»Und sie? Konnte sie fliehen?«
Er sah in die Kerzenflamme und wirkte einen Moment lang nachdenklich.
»Das hoffe ich von ganzem Herzen. Das Porträt, das du in meinem Sporran gefunden hast …«
»Das ist sie? Oh! Dann … bist du nicht verheiratet?«
Sie hatte laut gedacht. Er warf ihr einen eigenartigen Blick zu.
»Du dachtest, sie wäre meine Frau?«
»Nun ja … vielleicht deine Mutter oder deine Schwester …«
Er lachte und zog sie an sich.
»O Isabelle! Sei unbesorgt, du bist die einzige Frau, die mir etwas bedeutet… und das wird für immer so bleiben.«
»Ich liebe dich, Alexander Macdonald.«
Aus ihren grüngoldenen Augen sah sie voller Liebe zu ihm auf. Isabelle war sein kleines Stück Schottland in Amerika, die Hügel, die er für immer verlassen hatte, der sanfte Duft des Heidekrauts. Natürlich lag darin auch ein leichter französischer Einschlag, aber das gefiel ihm gut. Die junge Frau zog ihre Tasche zu sich herüber, zog den Marmeladentopf hervor, öffnete ihn und tauchte einen Finger hinein. Lachend hielt sie ihn vor ihn hin, und er öffnete den Mund.
»Als ich ein kleines Mädchen war, hatte ich die Angewohnheit, einen Topf von unserer Marmelade unter meinem Bett zu verstecken, um nachts davon zu naschen. Am nächsten Morgen hat mich dann Mamie Donie ausgescholten, weil ich die Laken mit Flecken übersät habe. Trotzdem hat sie mich nicht bei meiner Mutter verpetzt, die jeden Tag die Speisekammer überprüft hat. Sie hat ihr dann erzählt, sie hätte den Topf meiner Cousine ins Ursulinen-Kloster geschickt… Schmeckt es dir?«
Er nickte und öffnete von neuem den Mund wie ein Vogelküken, das nach seinem Futter verlangt. Sie steckte den Finger in den Topf und hielt ihn ihm kichernd hin. Ein dicker Tropfen fiel auf Alexanders Bauch.
»Oh! In diesen Notzeiten dürfen wir etwas so Kostbares nicht vergeuden!«
Mit diesen Worten beugte sie sich über ihn und leckte den Klecks ab. Er erschauerte, als er ihre warme, feuchte Zunge spürte, und beide bogen sich vor Lachen. So fütterten sie einander und leerten dabei die Weinflasche. Schließlich schmiegten sie sich aneinander, um diese Augenblicke, die, wie sie wussten, ihre letzten sein konnten, auszukosten. Isabelle schloss die Hand um ihr Medaillon aus Horn. Alexander zeichnete mit dem Fingernagel etwas auf ihre Schulter.
»Was machst du da?«
»Das ist eine Triquetra, ein dreifach verschlungener Knoten, der die Dreisamkeit darstellt; ein keltisches Symbol. Ursprünglich stand es für die drei Aspekte der Großen Göttin: die Jungfrau, die Mutter und die Greisin, eine heidnische Vorstellung. Heute bedeutet es für die Christen die Heilige Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und Heiligem Geist. Aber eigentlich deutet jeder diese Dreiheit auf seine Weise.«
»Ich liebe diese Ornamente sehr. Sie sind wunderschön. Hat jedes von ihnen eine eigene Bedeutung?«
»Auf gewisse Weise stellen sie mit ihren unzähligen Windungen alle die Kontinuität des Lebens und seiner Kräfte dar. Verstehst du, für die Kelten ist der Kreislauf des Lebens unendlich und steht in enger Verbindung mit dem Unsichtbaren und dem Kreislauf von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt. Schau …«
Er nahm seinen Dolch und zeichnete drei miteinander verbundene Spiralen in den Boden.
»Das ist eine Triskele. Die Spiralen stellen die Entwicklungen des Lebens dar, die nach außen gerichtet sind. Doch wenn man den Spiralen in die entgegengesetzte Richtung folgt, gelangt man nach innen und kann dort aus sich selbst neue Kraft schöpfen. Das ist eine spirituelle Sichtweise, verstehst du? Auch hier gibt es drei Zweige, so wie die drei Verschlingungen des Knotens der Dreisamkeit.
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