Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
einer Mauer zusammen und griff in ihre Tasche, um das Briefchen, das der Tavernenwirt ihr gegeben hatte, hervorzuziehen. Jede Bewegung bereitete ihr Schmerzen, und die schlimmste Qual war es, das eselsohrige Stück Karton auseinanderzufalten.
Zehn Millionen sorgfältig gewählte und geschickt formulierte Worte hätten die Gefühle eines liebenden Mannes nicht besser ausdrücken können als die zwei Wörter, die auf eine Herzass-Karte gekritzelt waren: Love you . Aller Reichtum und alle Schönheit des Universums lagen in diesem schönsten Gedicht der Welt…
»Ich warte auf dich … Wir beide werden auf dich warten, Alexander Macdonald.«
Ihr Liebster war fort, und auch die Musik hatte sie verlassen. Isabelle starrte auf das Notenblatt mit der Sonate, die zu spielen sie nicht mehr fertig brachte. In Gedanken war sie anderswo. Aus der Küche drangen das Scheppern von Töpfen und gedämpftes Gelächter zu ihr. Fünfzig Tage … Der morgige würde der einundfünfzigste sein und übermorgen der … Bring einen Tag nach dem anderen hinter dich… Er wird zurückkehren …, sagte sie sich immer wieder.
Sie zog ihr Tuch enger um die Schultern. Es war ein wenig frisch, und durch den Regen, der seit dem Morgen fiel, war die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt. Die Zeit verging langsam, zu langsam. Ein paarmal hatten sie etwas von den englischen Truppen gehört. Ende August hatte es geheißen, Murray habe in der Gegend von Sorel eine Kirche anzünden lassen, um Druck auf die Bevölkerung auszuüben. Immer noch gab es Kolonisten, die sich weigerten, einen Eid auf ihre Neutralität zu leisten. Aber konnte man ihnen das verübeln? Wenn sie sich weigerten, für ihr Land zu den Waffen zu greifen, drohten die kanadischen Autoritäten ihnen dort, wo sie noch die Macht hatten, mit dem Tod. Doch wenn sie sich den Engländern nicht unterwarfen, mussten sie zusehen, wie ihre Häuser und ihre Ernten in Flammen aufgingen. So saßen sie zwischen den Stühlen und wählten das kleinere Übel.
Außerdem hatten sie erfahren, dass die Garnison, die das Fort auf der Île aux Noix besetzte, die Festung Havilands Männern überlassen und sich nach Saint-Jean zurückgezogen hatte. Nachdem die Abteilung das Dorf angezündet hatte, war sie nach Montréal gezogen. Gleichzeitig hatte Amherst in der Festung Lévis die Kapitulation von Kommandant Pouchot entgegengenommen. Jetzt lag nichts mehr zwischen den Engländern und der letzten französischen Festung. Das Ende der französischen Herrschaft war nahe. Isabelle freute sich darüber und schämte sich zugleich.
Die junge Frau wünschte sich nur eines: wieder in Alexanders starken Armen zu liegen und dem Highlander zu sagen, dass er bald Vater werden würde …
Bisher hatte sie zu allen möglichen Listen Zuflucht genommen, um ihren Zustand zu verbergen. Doch sie wusste, dass es so nicht mehr lange weitergehen konnte. Im Moment war Perrine noch die Einzige, die etwas ahnte.
Es war vor ein paar Tagen gewesen. Sie stand in ihrem Zimmer vor dem Spiegel, der ihr das Bild ihres Körpers zurückwarf, der sich unaufhaltsam verwandelte. Ihr Nachthemd begann über dem Bauch zu spannen. Bald würde ihre Mutter ihren Zustand bemerken… Da öffnete sich die Tür und Perrine trat, von einem Luftzug begleitet und mit einem Korb voller Schmutzwäsche, herein. Isabelle zog ihr Hemd wieder herunter, verschränkte die Arme und errötete heftig. Das Dienstmädchen, das stehen geblieben war, beäugte sie argwöhnisch.
»Was macht Ihr eigentlich mit Euren Binden, Mam’zelle Isa? Mir scheint, ich habe lange keine mehr von Euch gewaschen.«
»Ich… ich wasche sie jetzt selbst.«
Perrine sah sie mit eigenartiger Miene an und schaute auf ihren gerundeten Leib, der durch den feinen Batiststoff hindurch zu erkennen war. Isabelle hatte instinktiv die Hände darüber gelegt. Mehr brauchte die Dienstmagd nicht, um den Verdacht bestätigt zu finden, der ihr im Kopf herumgegangen war, denn es war jetzt drei Monate her, dass sie die Binden ihrer jungen Herrin nicht mehr zum Waschen bekommen hatte.
»Mein Gott!«, stieß sie hervor und ließ den Wäschekorb fallen. »Mam’zelle Isa! Ihr seid… schwanger?!«
Sie warf einen Blick in den Korridor, schloss die Tür hinter sich und schaute wieder Isabelle an.
»Da bildest du dir etwas ein, Perrine…«
»Versucht nicht, mir etwas vorzumachen, Mam’zelle, ich bin keine dumme Gans und erkenne eine Frau, die Nachwuchs erwartet, wenn ich sie sehe. Keine Angst, ich
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