Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
von einem Lederband zusammengehalten wurde, umrahmten Gesicht etwas Feminines verlieh. Er war von gepflegtem Äußeren und mittelgroß, besaß den schmalen Körperbau eines Heranwachsenden, und auf seinen Wangen wies noch kein Flaum darauf hin, dass er bald zum Mann werden würde. Das kommt schon noch , sagte sich Alexander, und je schneller, desto besser.
»Wie alt bist du?«
MacCallum presste die schmalen Lippen leicht zusammen.
»Sechzehn.«
»Hmmm…«, meinte Alexander beiläufig, den Blick fest auf den Sgian dhu gerichtet. »Das ist sehr jung …«
»Ich kann kämpfen! Und außerdem ist es nicht nötig, mich so zu mustern, Macdonald, ich weiß genau, was du von mir denkst. Schließlich habe ich Augen und Ohren, falls du das noch nicht bemerkt hast. Ich dachte, du wärest anders als die anderen… Ich habe geglaubt … Ach, egal!«
MacCallum versuchte sich seinen Dolch wiederzuholen und streckte die Hand nach Alexander aus, der sprachlos vor Verblüffung über seinen heftigen Ton war. Und wenn er sich irrte? Trotz seiner weichlichen Art wirkte der Junge aufgeweckt. Er stieß die Hand zurück, die sich um den Griff schließen wollte.
»Gib mir mein Messer wieder!«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich darum kümmern werde… wenn du das noch möchtest.«
MacCallums Wangen waren vor Zorn rot angelaufen. Er warf einen Blick in die Runde, aber niemand schenkte ihnen Beachtung.
»Ähem … ja, gern.«
»Einverstanden. Was bekomme ich dafür?«
»Was … also …«
»Wie viel, meine ich.«
Der Junge sah seinen Gesprächspartner fest an, also wolle er ihm verbieten, auch nur daran zu denken, mit ihm könne man nach Belieben umspringen. In diesem seltsamen Blick erkannte Alexander Verletzlichkeit, aber auch Entschlossenheit und eine ungeahnte innere Kraft. Was für ein außergewöhnlicher Charakter, dachte er.
»Ich habe drei Pence …«
»Drei? Einer wird genügen.«
»Du willst die Arbeit für einen Penny tun?«
»Für einen einzigen, oder gar nicht.«
Ein weiches, gurrendes Lachen stieg aus MacCallums Kehle auf. Alexander runzelte die Stirn. Wirklich, es würde dem Jungen guttun, wenn er so bald wie möglich ein paar männliche Eigenschaften entwickelte.
»Einverstanden, und danke.«
Er begleitete seine Antwort mit einem Lächeln, das auf seinem bartlosen Gesicht verstörend wirkte. Mit einem Mal fürchtete Alexander sich vor dem seltsamen Charme, der von dem Jüngling ausging. Einen winzigen Moment lang überraschte er sich dabei, dass er seinen Blick suchte. Dann sah er auf das Messer hinunter, das er umklammert hielt. MacCallum war ein Mann!
»Du kannst mich William nennen, Macdonald.«
»William… Ich heiße Alexander.«
»Sehr erfreut, Alexander.«
Mit diesen Worten ergriff der Jüngling Alexanders Hand und drückte sie fest, um ihre neue Freundschaft zu besiegeln. Die beiden lächelten einander zu.
Zwei Wochen vergingen. Der Wind wehte von achtern, und das Geschwader glitt anmutig über ein spiegelglattes Meer. Das Wetter war ihnen günstig gesinnt. Das Zusammenleben zwischen Soldaten und Seeleuten auf der aus Holz errichteten schwimmenden Insel verlief ohne größere Zwischenfälle. Außerdem gab es genug Arbeit zu erledigen, so dass niemand der Melancholie anheimfallen konnte.
In seinen wenigen freien Stunden schnitzte Alexander oder ruhte sich aus. Wenn er wusste, dass Montgomerys Kompanie sich in ihrem Quartier aufhielt, gestattete er sich, aufs Oberdeck zu steigen. Dort lehnte er sich an die Reling und beobachtete die blauen Wogen, die sich am Schiffsrumpf brachen, wobei er sich bemühte, den Matrosen bei ihren Manövern nicht im Weg zu stehen. Manchmal schwammen Delfine mit dem Schiff um die Wette. Ab und zu gesellten sich auch William und Evan zu ihm. Er hatte sich mit den beiden angefreundet und verdrängte seinen Argwohn bezüglich der Art ihrer Beziehung. Schließlich ging es ihn nichts an, was zwischen den beiden war … solange dieser bezaubernde Jüngling einen respektvollen Abstand von ihm hielt.
Aus ihren Gesprächen wusste er, dass Evan aus Glen Pean in Lochaber stammte, fünfunddreißig Jahre alt und verwitwet war. William war ein Spross aus der zweiten Ehe seiner Mutter mit einem Mann aus Loch Sheil. Daher waren die beiden einander erst vor fünf Jahren begegnet. William hatte während der Jahre der Not, die auf die Schlacht von Culloden gefolgt waren, seine Familie verloren, und dieser Bruder, den er nie kennen gelernt, von dem er aber oft gehört
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