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Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Highland-Saga 03 - Schild und Harfe

Titel: Highland-Saga 03 - Schild und Harfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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dann eine hochmütige Miene auf.
    Abgesehen von dem kleinen Intermezzo war die Atmosphäre äußerst angenehm. Nach dem Dessert, dem alle genüsslich zusprachen, öffnete man die Flasche Pflaumenschnaps, um nach dem Kaffee noch einen guten Tropfen zu sich zu nehmen. Françoise führte die Kinder in die Küche, um ihnen das Gesicht zu waschen, und Perrine räumte den Tisch ab. Die Männer zündeten ihre Pfeifen an und streckten unter dem Tisch die Beine aus. Ein kurzes Schweigen trat ein, das Isabelle in vollen Zügen genoss.
    Das Essen, das beinahe eine üble Wendung genommen hätte, war ihm Großen und Ganzen doch wunderbar verlaufen. Isabelle war ihren älteren Brüdern dankbar. Die beiden hielten nicht allzu viel von Familientreffen. Louis und Étienne, die Charles-Huberts erster Ehe entstammten, waren erst zehn und acht Jahre gewesen, als ihre Mutter, Jeanne Lemelin, 1731 gestorben war. Daraufhin hatte ihr Vater sie bei Antoine und Nicolette Lacroix in Ange-Gardien untergebracht, einem Dorf, das einige Meilen flussabwärts von Québec lag. Dann hatte er sich 1738 mit Justine erneut vermählt und sie wieder zu sich genommen. Die Beziehung zwischen den beiden Jungen und ihrer Stiefmutter war nie besonders gut gewesen. Justine fand Louis und Étienne ungehobelt und grob und warf ihnen ständig ihre bäuerlichen Manieren vor. In einem Anfall von Zorn war sie sogar schon einmal so weit gegangen, ihnen zu erklären, wahrscheinlich sei ihre Mutter nur die unerzogene Tochter eines Kolonisten gewesen.
    Zu dieser Zeit, als die Lacroix-Söhne siebzehn beziehungsweise fünfzehn Jahre alt gewesen waren, hatten sie sich von dieser kalten, abweisenden neuen Mutter, für die sie nicht die geringste Sympathie empfanden, nichts mehr sagen lassen. Charles-Hubert hatte sie, wenngleich ihn das schmerzte, einfach zum Gehorsam gezwungen und sich damit abgefunden. Justine schien sich deswegen nicht über Gebühr zu sorgen. Sie war schon ihren eigenen Kindern gegenüber nicht besonders herzlich und sah sich nicht in der Lage, ihre Stiefsöhne mit offenen Armen aufzunehmen. Nun ja, die Hauptsache war schließlich, dass man einander respektierte.
    Das Ticken der großen Standuhr und die Nachwirkungen der reichlichen Mahlzeit ließen die Gäste in Apathie versinken. Isabelle stand kurz davor, auf ihrem Stuhl einzunicken, als es an der Tür klopfte. Baptiste öffnete und kehrte einige Minuten später mit einem Briefchen in der Hand zurück.
    »Für Mademoiselle Isabelle«, erklärte er feierlich und reichte dem jungen Mädchen das versiegelte Schreiben.
    Ein wenig erstaunt richtete sich Isabelle auf. Wer würde ihr so spät am Abend noch eine Nachricht schicken? Ohne auch nur den Namen des Absenders zu lesen, öffnete sie den Umschlag und überflog rasch die ersten Zeilen. Alle warteten, während ihr das Blut in die Wangen stieg. Nicolas befand sich in Québec, und er bat darum, sie noch heute Abend sehen zu dürfen – nur falls das möglich sei, natürlich –, nachdem er sich mit Montcalm und dem gesamten Generalstab getroffen habe. Die Chézine , auf der sich Oberst de Bougainville befand, hatte soeben Anker geworfen. Das Herz der jungen Frau pochte.
    »Von wem ist das? Und was? Bist du zu einem Ball eingeladen?« , wollte Ti’Paul, der ganz aufgeregt war, wissen.
    »Ähem … nein. Es kommt von… Monsieur des Méloizes. Er befindet sich in Québec. Die Chézine ist heute Abend eingelaufen, und er hat sich dorthin begeben, um Neuigkeiten einzuholen.«
    »Ich hab’s euch doch gesagt!«, krähte Ti’Paul. »Ihr Verehrer!«
    »Rede kein dummes Zeug, kleiner Strolch!«
    Ärgerlich faltete sie den Brief zusammen und steckte ihn in den Ärmel.
    »Was will er? Erzähl es uns, Tochter«, fragte Justine, die mühsam verbarg, wie erfreut sie war.
    »Er möchte mich sehen.«
    »Heute Abend? Ist es dazu nicht ein wenig spät?«
    »Ich kann ihm antworten, dass er lieber morgen kommen soll, Mama, wenn Euch das …«
    »Nein, wir wollen den netten Herrn nicht verprellen. Nun gut! Er soll kommen. Sidonie wird im Salon bei euch bleiben.«
    Isabelle spürte, wie ihr das Blut in den Schläfen pochte. Dies war mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Nicolas wollte sie sehen. Seit ihrer letzten Begegnung war mehr als ein Monat vergangen. Das war das schönste Geburtstagsgeschenk, das sie sich hätte wünschen können. Sie würde ihren Nicolas noch heute Abend sehen… Nervös kritzelte sie ihre Antwort auf ein Stück Papier, das sie sorgfältig

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