Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
sowie den Generalfeldmarschall und Kommandanten der regulären Truppen, Montcalm. Letzterer löste sich in diesem Moment aus der Gruppe, um sich zu Madame de Beaubassin zu gesellen, von der Gerüchte wissen wollten, sie sei seine Mätresse. Außerdem erkannte die junge Frau Brigadier Senerzegues, den Bürgermeister Armand de Joannès, Monsieu de Lauzon, Étienne Charest und seinen Bruder Joseph Dufy-Charest. Die beiden Letzteren hatten beim Tod ihres Vaters eines der größten Vermögen Neufrankreichs geerbt.
In ihrer Nähe stand steif wie ein Stecken ein mittelgroßer, dunkelhaariger Mann, ein wenig stämmig, aber gut gebaut. Er nickte zur Antwort auf etwas, das sein Gegenüber zu ihm sagte. Als er den Kopf hob, traf sich sein Blick mit dem Isabelles. Die junge Frau spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und rasch verbarg sie ihre Verlegenheit darüber, dass er sie ertappt hatte, hinter den Federn ihres Fächers.
Nach der detaillierten Beschreibung, die man ihr von ihm gemacht hatte, musste das Monsieur des Méloizes sein. Der Mann, der etwa dreißig Jahre alt war, lächelte ihr zu und widmete sich dann wieder seinem Gesprächspartner, der ihm, nach seinen heftigen Handbewegungen und seiner Miene zu urteilen, ein ernstes Thema auseinandersetzte.
»Und?«, wollte Jeanne wissen.
»Ich finde ihn sehr charmant. Aber er hat sicherlich eine Verlobte, die irgendwo auf ihn wartet. Anders kann es bei einem Mann in seiner hervorgehobenen Stellung doch gar nicht sein.«
»Wie man hört, ist sein Herz so frei wie eine Schwalbe im Frühling. Und ich sehe, dass er dich bemerkt hat, meine Liebe. Ich kann vielleicht meinen Bruder Jean bitten, euch einander vorzustellen …«
Isabelle ließ geräuschvoll ihren Fächer zusammenklappen, worauf die Damen Ramezay, die vor ihnen saßen, den Kopf wandten.
»Ich untersage dir, die Kupplerin zu spielen, Jeanne.«
Die junge Mademoiselle Crespin schlug sich eine Hand vor den Mund, um ein Kichern zu ersticken, und tätschelte mit der anderen Isabelles Arm.
»Ich sehe, dass er dich nicht gleichgültig lässt.«
»Das ist überhaupt nicht die Frage, Jeanne«, fuhr Isabelle fort und fächelte sich Luft zu, um ihr vor Verlegenheit rot angelaufenes Gesicht zu kühlen. »Du glaubst doch wohl nicht, dass Monsieur des Méloizes de Neuville sich für eine kleine Bürgerliche wie mich interessiert, obwohl es in Québec mehr als ein schönes, elegantes Mädchen von adligem Blut gibt …«
»Bürgerlich magst du sein. Aber du bist reich und wunderschön. In seinen Adern fließt vielleicht blaues Blut, aber ich kann dir verraten, dass er bis über beide Ohren verschuldet ist.«
»Trotzdem ist er der Herr der Domäne Neuville. Es heißt, einer seiner Vorfahren mütterlicherseits sei Leibarzt von Louis XIII. gewesen.«
»Was hat das schon zu sagen? Isabelle! Seit einer halben Stunde verschlingt er dich buchstäblich mit Blicken.«
»Und wenn er gar nicht mich ansieht?«
»Wen denn sonst? Mich nicht, ich bin bereits verlobt. Außerdem bist du viel hübscher als Marie-Anne Duchesnay. Selbst Geneviève Michaud kann dir nicht das Wasser reichen.«
»Das sagst du nur, um mir zu schmeicheln. Du machst dich lustig über mich.«
»Männerblicke lügen nicht, meine Liebe …«
Jetzt errötete Isabelle erst recht. In der Tat, schon auf ihrem ersten Ball – im Oktober, beim Gouverneur – hatten sich die Verehrer nur so um sie gedrängt. Wenn ihre Vernunft sie nicht dazu bewogen hätte, Unwohlsein vorzutäuschen und den Abend vorzeitig zu verlassen, hätte es möglicherweise sogar einen Skandal gegeben, der zu einem Duell hätte führen können. Ziemlich bemerkenswert für eine Debütantin.
An diesem ersten Abend hatten sich der junge Antoine Michaud und der gut aussehende Philippe Amiot ohne Unterlass ihre Gunst streitig gemacht. Da sie dieser Konkurrenz überdrüssig gewesen war, hatte sie Marcel-Marie Brideaus Aufforderung zu einem Menuett angenommen. Die beiden Verschmähten hatten sich, empört über die Anmaßung des Neuankömmlings, sofort gegen Marcel-Marie verbündet. Wenigstens hatten sie so viel Anstand besessen, dass sie das Ende des Menuetts abgewartet hatten und erst dann auf ihn losgegangen waren.
Die Musik war zu Ende; man applaudierte kräftig. Mit vor Vergnügen rosig angelaufenen Wangen klatschte Isabelle in die Hände wie ein Kind. Alle Zuhörer erhoben sich, plauderten laut miteinander und begaben sich zu den Spieltischen und in den Ballsaal, wo man die
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