Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Soldaten haben wir nur ein paar Brosamen übrig! , soll er gesagt haben. Dabei hat der Gouverneur es sich dort auch wohl sein lassen.«
»Weißt du, so unrecht hat er nicht, Isa. Julien hat mir geschildert, unter welchen Bedingungen die Milizionäre leben.«
Isabelle ließ sich nicht gern daran erinnern, dass sie selbst hemmungslos von der Großzügigkeit des Intendanten profitierte. Was hätte sie auch unternehmen können? Wenn sie aufhörte, diese Abendgesellschaften zu besuchen, würde das nicht das Geringste am Los der Bedürftigen ändern. In Ermangelung einer besseren Idee erleichterte sie ihr Gewissen, indem sie den Ursulinen Lebensmittel brachte, welche die Schwestern dann an die Armen verteilten. Sie hatte überhaupt keine Lust, sich diesen schönen Tag verdüstern zu lassen, und tat ihren Unmut kund, indem sie einen lauten Seufzer ausstieß.
Madeleine, die darauf brannte, die neuesten Gerüchte zu hören, zog es vor, dieses Thema, das für die Familie Lacroix seit einiger Zeit ein schwieriges war, fallen zu lassen.
»Gut … Erzähl uns amüsante Details! Auf dem Markt habe ich gehört, was über Monsieur Descheneaux geredet wird. Stimmt es, was man sich erzählt?«
Isabelle und Jeanne, die der Szene beigewohnt hatten, brachen in Gekicher aus.
»Es ist alles wahr, Cousine! Monsieur Descheneaux hat einen Menuettschritt gemacht und sich mit den Füßen im Kleid von Madame Panet verheddert. Er hat derart geschwankt, dass man vom Zusehen hätte seekrank werden können. Dann ist er auf Madame Arnoux gefallen, die Frau des Arztes. Ha, ha, ha! Seine Perücke ist davongeflogen und im Glas von Monsieur de Vienne gelandet, und der hat sie dem armen Mann, der mitten auf der Tanzfläche auf dem Boden saß, wieder aufgesetzt. Sie tropfte ihm auf die Schultern, und außerdem hatte Monsieur de Vienne sie ihm verkehrt herum auf den Kopf gedrückt… Stell dir nur dieses Bild vor! Man hätte Tränen lachen können! Ich habe jedenfalls derart gekichert, dass Nicolas mich aus dem Salon führen musste. Ich brauche wohl nicht zu erzählen, dass man Monsieur Descheneaux sofort umgezogen und rasch in seine Kalesche gesetzt hat.«
»Und bei dieser Gelegenheit warst du dann allein mit deinem teuren des Méloizes?«
Isabelle setzte einen träumerischen Blick auf und lächelte leise.
»Hmmm …«
»Erzähl es mir, Isa! Hat er dich geküsst?«
»Wie indiskret du …«
Schreie, die von der Terrasse des Château Saint-Louis – dem befestigten Stadtschloss – zu ihnen drangen, unterbrachen sie. Isabelle und ihre Schulkameradinnen fuhren herum und erblickten Ti’Paul und Julien. Die beiden kamen vom Exerzierplatz, wo die Übungen des Regiments von de la Sarre stattgefunden hatten, und liefen die Rue du Mont-Carmel entlang. Isabelles Bruder wedelte beim Rennen wild mit den Armen über dem Kopf herum.
»Die Engländer! Die Engländer kommen!«
Isabelle erbleichte genau wie ihre Cousine. Die Daine-Schwestern umarmten einander entsetzt. Sidonie, die mit den anderen Damen die Picknickreste zusammengepackt hatte, stieß einen Schrei aus. Ti’Paul kam als Erster bei ihnen an. Er keuchte und presste eine Hand auf sein Herz, das in seiner zarten Brust zu bersten drohte. Mit seinen dreizehn Jahren besaß er die Konstitution eines Zehnjährigen. Die verschiedenen Krankheiten, unter denen er in seiner Kindheit immer wieder gelitten hatte, hatten ihn geschwächt und sein Wachstum gehemmt. Inzwischen war klar, dass er von der Militärkarriere, von der er immer geträumt hatte, Abstand würde nehmen müssen. Auf der anderen Seite besaß er einen lebhaften Geist, einen intelligenten Blick und große Entschlossenheit, so dass er auf jeden Fall den Talar ergreifen und sich entweder Gott oder der Justiz widmen konnte. Doch wenn er sich derart anstrengte, lief er nur Gefahr, dass sich sein Zustand verschlechterte.
Isabelle beugte sich über ihn, umfasste seine Schultern und sah ihn besorgt an.
»Versuche, ruhig zu atmen, Ti’Paul. Du wirst dir noch die Lunge heraushusten, wenn du nicht…«
»Sie sind da, Isa!«, schrie Ti’Paul zwischen zwei keuchenden Atemzügen. »Sie sind vor der Stadt …«
Julien hatte sie ebenfalls erreicht. Seine Miene ließ nichts Gutes ahnen. Madeleine, die kurz davor stand, in Panik zu verfallen, lief zu ihm, um ein wenig mehr zu erfahren.
»Was ist denn nun wahr an dieser Geschichte, dass die Engländer sich auf dem Fluss befinden, mein Julien?«
»Wir haben Schreie gehört, die vom Schloss kamen.
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