Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
nehmen, ins Haus rennen und Pierre holen.
»Dinna run, Iseabail. I winna hurt ye .« Lauf nicht weg, Isabelle. Ich tue dir nichts.
Sie spürte, wie ihre Beine nachgaben, und stützte sich an der Wand der Pferdebox ab. Ihr Mund war schrecklich trocken und ihr Blick starr. Sie brachte kein Wort heraus. Vorsichtig kam der Mann auf sie zu. Seine Züge zeigten kein Gefühl. Schweigend und arrogant musterte er sie, was sie mehr als Worte verletzte. Sie reckte Schultern und Kopf und wandte sich ab.
Alexander gab sich große Mühe, sich zu beherrschen und seinen Atem unter Kontrolle zu behalten. In seinem Kopf purzelten die Worte durcheinander, aber er brachte keines davon über seine zusammengepressten Lippen. Am liebsten hätte er diese Frau, die ihn angelogen hatte, geschlagen, auf sie eingeprügelt, bis sie um Gnade flehte. Er wollte, dass sie litt, so wie er, und ihn bat, damit aufzuhören. Seine gewalttätigen Gedanken erschreckten ihn, und er erstarrte.
Ganz in der Nähe tanzten Staubteilchen in einem Sonnenstrahl. Das Schweigen war bleiern. Mehr als sieben Jahre trennten sie.
»Wie alt ist er?«, verlangte Alexander unvermittelt mit heiserer Stimme zu wissen.
Isabelle zuckte zusammen. Gabriel? Er sprach von Gabriel? Sie hätte nicht gedacht, dass er es erraten würde. Aber eigentlich konnte es nicht anders sein: Dem Kind stand das Erbe der Macdonalds ins Gesicht geschrieben.
»Antworte!«
Sie grub die Fingernägel in das Holz und lehnte die Stirn an die Trennwand. Als sie sprach, klang ihre Stimme leise und verzagt.
»Er ist… im Februar sechs geworden.«
Februar… Rasch überschlug Alexander die Zeit. Februar 1761 also. Neun Monate zurück… April 1760.
»Ist er mein Sohn?«
Die Frage durchfuhr Isabelles Herz wie ein Messerstich.
»Answer, damn it! « Antworte, verflucht!
»Ja.«
Ein langes Schweigen folgte auf ihr Geständnis. Sie hatte immer noch nicht aufgesehen und glaubte einen Moment lang, er hätte den Stall verlassen. Doch dann bedeutete ihr ein Rascheln, dass er noch da war. Sie nahm seinen Geruch wahr, diese Mischung aus Leder und Tabak, Schweiß und moschusartigem Körpergeruch. Erinnerungen stiegen in ihr auf, und sie konnte nicht mehr klar denken.
Alexander versuchte, den Zorn niederzuringen, der ihm fast den Atem verschlug. Als er beschlossen hatte, Isabelle gegenüberzutreten, hatte er nur die Wahrheit wissen wollen. Aber sie jetzt zu sehen, so nahe, dass er sie hätte berühren können, machte ihn verrückt vor Hass und Begehren!
Sein Blick liebkoste die Gestalt, die ihm den Rücken zuwandte, und er stellte fest, dass die verschmitzte, schmale junge Frau, die er in Québec geliebt hatte, sich verändert hatte. Vor sich sah er runde Hüften, einen üppigen Busen, mollige Arme … eine Frau, wie er sie sich erträumte. Und sie schlief im Bett eines anderen, der auch seinen Sohn großzog … Zorn stieg in ihm auf und brach sich in einer Flut galliger Worte Bahn, die er sich nicht zurechtgelegt hatte.
»Wer bist du eigentlich, Isabelle Lacroix? Ein Flittchen? Oder die bedauernswerte Tochter eines reichen Kaufmanns, die sich dummerweise von einem flüchtigen Liebhaber hat schwängern lassen? Jetzt verstehe ich besser, warum du so überstürzt geheiratet hast. Ganz offensichtlich wolltest du nicht gezwungen sein, einen britischen Soldaten zu ehelichen. Wie hättest du dann noch in der ›guten Gesellschaft‹ bestehen können? Deswegen hast du die Hochzeit mit diesem Larue eingefädelt. Und deine Unverschämtheit so weit getrieben, dass du von mir verlangt hast, dein Liebhaber zu werden …«
Eine kräftige Ohrfeige unterbrach ihn. Er wich einen Schritt zurück. Sein Herz trommelte in seiner Brust, die sich rasch hob und senkte.
»Wie kannst du es wagen? Ein Flittchen?! Was fällt dir ein? Du … du hast mich mit Gewalt genommen, damals, in der Mühle!«
Wie vor den Kopf geschlagen riss Alexander die Augen auf.
»Mit Gewalt? Du wirfst mir vor, dich vergewaltigt zu haben?«
»Du hast mich benutzt, deinen Vorteil aus meiner Trauer um meinen verstorbenen Vater gezogen, um zu bekommen, was du wolltest …«
»Du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt, Isabelle! Bist nicht du es gewesen, von der das zweite Mal ausging? Dann war das erste Mal für dich so etwas wie eine Vergewaltigung, weil du Angst hattest?«
Sie schlug die Augen nieder und gab keine Antwort. Er packte sie an den Armen und schüttelte sie grob.
»Ich habe dich geliebt, Isabelle, und du hast dich über mich
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