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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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auf Raubzug gehst.«
    Der Knabe sah die drei Männer aus großen, besorgten Augen an. Er hatte schreckliche Geschichten über Wilde gehört, die Weiße fraßen. Vielleicht würden sie ihn zur Strafe in einem Kessel kochen. War da der Zorn seiner Mutter nicht besser? Nicht unbedingt…
    »Oh! Ih’ sagt ih’ doch nichts, ode’? Sie wi’d ganz böse auf mich sein, und dann muss ich zwei Stunden hinte’einande’ Geige üben!«
    Alexander lachte herzlich.
    »By God! Bei Gott, deine Mutter ist aber streng! Zwei Stunden Geigespielen! Och! «
    »Seid Ih’ ein Englände’ aus Schottland, Monsieur?«
    »Ich bin ganz kurz nur Schotte, mein Junge.«
    »Ganz kurz nur Schotte?«
    Gabriel betrachtete den Mann, der ihm eher hochgewachsen als kurz vorkam. Doch er wies ihn lieber nicht darauf hin. Vielleicht würde er dann ärgerlich und nahm ihm den Apfel weg, den er dem Händler bezahlt hatte… Als hätte er seine Gedanken gelesen, meinte der Fremde, der wie ein Waldläufer aussah, jetzt könne er das Obst ja aus seinem Versteck holen. Gabriel tat wie ihm geheißen und biss rasch hinein, ehe man ihm den Apfel noch wegnahm. Alexander ließ sich nicht täuschen und dachte lächelnd, dieser kleine Mann werde sich im Leben schon durchzuschlagen wissen.
    »Danke fürrr den Apfel.«
    »Keine Ursache, Monsieur Gabriel. Denk beim nächsten Mal daran, die Ware zu bezahlen, ehe du sie mitnimmst.«
    »Ich glaube, ich sollte gehen«, brummte der Junge und spähte auf die Hand, an der ein Finger fehlte.
    »Bestimmt… wenn du nicht willst, dass deine Mutter dich zwei Stunden lang Geige üben lässt!«
    Als Alexander sah, was Gabriels Neugier erweckte, schwenkte er seine Hand vor dem kleinen Gesicht.
    »Es war sehr kalt, und meine Mutter hatte mich gebeten, meine Fäustlinge anzuziehen. Aber ich habe ihr nicht gehorcht, und schau, was geschehen ist. Deswegen soll man seinen Eltern immer gehorsam sein.«
    Mit vollem Mund nickte der Kleine. Er wollte schon zu dem Laden zurückgehen, als eine Hand ihn am Arm packte und eine durchdringende Stimme auf ihn einschimpfte.
    »Du hast mir eine Höllenangst eingejagt, kleiner Spitzbube!«
    Marie wich den Blicken Alexanders und seiner Algonquin-Freunde aus, die sich auf sie richteten. Sie wandte den drei Männern den Rücken und zerrte an Gabriel, damit er mit ihr kam. Ein wenig verblüfft über ihre Grobheit sah Alexander der Indianerin und dem kleinen Jungen nach, die sich durch die Menge schlängelten. Ein merkwürdiges Gefühl ließ ihn die Stirn runzeln. Dieses Mädchen … ihm war, als hätte er sie schon einmal gesehen. Aber wo? Ach was! Wahrscheinlich ähnelte sie einfach nur einer Eingeborenen, die er kannte.
    Er sah dem Duo noch einen Moment lang nach. Gerade wollte er weitergehen, als er eine Gestalt erblickte, die zu der Dienerin und dem kleinen Jungen trat. Die Dame reichte dem Mädchen eine große Pappschachtel und beugte sich zu dem Knaben hinunter. Die elegante Frau in dem sonnengelben Kleid war sicherlich Gabriels Mutter. Ihr Gesicht wurde vom Schatten ihrer Haube verborgen. Doch unter der Kopfbedeckung quoll ein schöner, seidiger Lockenschopf von der Farbe reifen Korns hervor und fiel auf die schmalen Schultern. Alexander bewunderte ihre blasse Haut, die in der Sonne schimmerte, ihre Kopfhaltung und die anmutigen, gestikulierenden Arme. Einen kurzen Augenblick lang fragte er sich, ob die Mutter wohl genauso blaue Augen hatte wie ihr Sohn.
    Sichtlich ungehalten richtete die Frau sich auf und nahm die Hand des Jungen. Gabriel gestikulierte. Wahrscheinlich würde er am Ende doch die zwei Stunden Geige einstecken, überlegte Alexander lächelnd. Endlich drehte die Frau sich um, und er sah in ihr Gesicht und begegnete ihrem Blick. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Sie erstarrte. Ihm stockte der Atem, und er stand wie gelähmt da. Es war, als hätte die Zeit ihn eingeholt und schlüge ihm mitten ins Gesicht.
    »Isabelle? God damn , Isabelle!«
    Von Panik ergriffen wandte sie sich ab und entfernte sich. Dort, wo sie in der Menge gestanden hatte, blieb ein seltsam leerer Fleck zurück. Währenddessen begann Alexanders Hirn wieder zu arbeiten. Eine innere Stimme befahl ihm, ihr nachzulaufen. Er rannte los. Sein Herz schlug zum Zerspringen; seine weichen Beine stolperten; und seine Arme schoben Hindernisse beiseite, die er erst sah, nachdem er mit ihnen zusammengestoßen war. Während er sich noch einen Weg durch die Menschenmenge bahnte, wurde ihm vollständig bewusst, dass

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