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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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ausgelassene junge Hunde tollten sie herum, und ihre Mütter mit den breiten Hüften und kräftigen Schenkeln sahen ihnen zu. Bei einigen der Frauen, die oft einen Säugling auf den Armen trugen, war das Gesicht von Pockennarben verwüstet. Die von den Invasoren verbreitete Krankheit war über die Eingeborenen gekommen wie ein Hagelsturm.
    Die eingeborenen Völker, die so großzügig und freundlich waren, hatten ein recht trauriges Schicksal. Seit mehr als einem Jahrhundert standen sie zwischen Engländern und Franzosen und wurden von ihnen ausgenutzt. Wenn die einen sie für ihre Treue mit einem Fass Branntwein belohnten, wurden sie von den anderen für ihren Widerstand bestraft. Und das kostete sie immer ihr Land, das die Weißen nach und nach in ihren Besitz brachten. Obwohl er zu den Invasoren gehörte, identifizierte sich Alexander mit diesen Menschen, die man bestahl und deren Kräfte man durch niederträchtige Intrigen erschöpfte. Das aufrührerische schottische Bergvolk mit seinen barbarischen Sitten und die unberechenbaren amerikanischen Eingeborenen mit ihren grausamen Bräuchen … zwei Völker, auf deren Blut das Fundament von Imperien errichtet wurde.
    Oft sah der Schotte jetzt Bilder von Kindern und Greisen vor sich, die sich von Tal zu Tal schleppten. Man hatte ihnen verordnet, ihre Tartans einheitlich dunkel zu färben, damit ihre Clanzugehörigkeit verborgen blieb, die sie aber trotzdem tief im Herzen trugen. Der Niedergang eines Volkes. Die Rolle der Highlander in Großbritannien glich der der eingeborenen Amerikaner für die französischen und englischen Invasoren. Beide waren unterdrückte Völker. Nur eines unterschied sie. Die Highlander besaßen den Vorteil ihrer Hautfarbe … sie würden immer Weiße sein. Sie konnten sich ohne Probleme unter die Herrschenden mischen und sich mit Intelligenz und Entschlossenheit einen bequemen Platz in der angeblich zivilisierten Gesellschaft schaffen.
    Gedämpft drangen die Geräusche des kleinen Algonquin-Dorfes, in dem sie Aufnahme gefunden hatten, zu ihm; und der Rauch, in dem die Felle gegerbt wurden 48 , duftete. Der Gedanke, diesen Ort, seine Bewohner und dieses Leben zu verlassen, bedrückte ihn mehr, als er für möglich gehalten hätte. Im vergangenen Spätherbst hatte Alexander das Gebiet der Großen Seen verlassen und sich zusammen mit Tsorihia, Munro und dessen kleiner Familie, Nonyacha sowie Mathias auf den Weg gemacht, um sich am Ufer des Grande Rivière anzusiedeln. Vielleicht hatte er unbewusst versucht, dem Gold des Hollandais’ näher zu kommen, das ihm trotz allem immer noch im Kopf herumging.
    Der Schnee hatte sie überrascht, bevor sie sich einen Unterschlupf hatten bauen können. Daraufhin hatten sie sich mit einer kleinen Gruppe Weskarini zusammengetan, die sich zur großen Herbstjagd am Zusammenfluss des Rivière du Lièvre und des Grande Rivière eingefunden hatten. Sie waren Nomaden wie alle Algonquin, und wenn sie in einem Gebiet nicht mehr genug Wild fanden, zog der kleine Stamm eben weiter. Angesichts ihrer Armut und des Gesundheitszustands der kleinen Otemin, die unter einer schlimmen Grippe litt, hatte man ihnen angeboten, mit der Gruppe zu leben, ohne dafür mehr zu verlangen, als dass die Männer an den Jagdzügen teilnahmen.
    Sie waren geblieben und hatten den Winter bei diesen Menschen verbracht, die sie aufgenommen hatten, und feste Freundschaften geschlossen. Dann war der Frühling gekommen, die Zeit, zu der man über den Grande Rivière zum Handelsposten fuhr, um die während des gesamten Winters erjagten Felle einzutauschen. Der nächste Handelsposten befand sich in der Mission der Sulpizianer in Deux-Montagnes. Aber Alexander hatte bis nach Montréal reisen wollen, um van der Meers Witwe zu treffen. Er war zusammen mit Munro und einigen Eingeborenen aufgebrochen. Und dort, in der großen Stadt, war sein friedliches Leben auf den Kopf gestellt worden, und jetzt gab es nichts mehr, dessen er gewiss war.
    Alexander betrachtete seine Gefährtin, die halbnackt die Wärme der Sonne genoss. Blätter raschelten, und in dem Baum über ihnen erklang der melodische Gesang einer einsamen Drossel. Er konnte es nicht länger aufschieben. Er tat einen Schritt, atmete tief ein und versuchte, Kraft aus dem Duft des Humus und dem kräftigeren Geruch der hohen Kiefern zu schöpfen. Er trat gegen einen blühenden Hornstrauch, stampfte Moos in den Boden und stieß sich an Wurzeln … Er sah nichts mehr … nur noch die Frau, die ihn

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